Bericht zu der Demonstration am 23.Juni 2013
Von Nina Gunić
„Her yer taksim her yer direnis!” (“Überall ist Taksim, überall ist Widerstand!“) war nur eine der zentralsten Losungen der Demonstration in Solidarität mit den AktivistInnen am Taksim Platz und im Gezi Park, die am Sonntag, den 23.Juni 2013 in Wien stattfand. Knapp 700 AktivistInnen haben sich zu einer Demonstration zur türkischen Botschaft hin zusammengefunden. Zeitgleich gab es in Wien eine Massendemonstration der Anhänger der AKP Regierung, die im Zehnten Bezirk abgehalten wurde.
Die Revolutionär-Kommunistische Organisation zur Befreiung (RKOB) wie auch die Jugendorganisation Red*REVOLUTION waren auf der Demonstration gegen die AKP-Regierung und die Politik Erdoğans und in Solidarität mit dem Widerstand in der Türkei aktiv und lautstark dabei. Die Demonstration wurde von türkischen Organisationen wie der ATIGF und der ADHF organisiert und unter anderem auch von der Kommunistischen Initiative (KI) in der gemeinsamen Plattform mit der ATIGF, der Komintern, unterstützt.
Unser Block war lautstark und sehr kämpferisch, wie auch die gesamte Demonstration, die von Losungen wie „Hoch die Internationale Solidarität“ („Yaşasın Halkların Kardeşliği!“) und „Nur eine Lösung: Revolution!“ („Tek yol devrim!“) geprägt war. Ebenso sind unsere Publikationen und Flyer, die eine klare politische Perspektive für die Proteste in der Türkei aber auch für die internationalen Solidaritätsaktionen beinhalten, auf großes Interesse gestoßen.
Dennoch ist die Demonstration vom 23.Juni nicht ausschließlich von diesem positiven Aspekt zu beurteilen. Angesichts der Tatsache, das türkische MigrantInnen gerade auch in der ArbeiterInnenklasse und dabei vor allem in den unteren und mittleren Schichten vertreten sind, ist es absurd, dass die Demonstration in der Innenstadt stattfand. Traurigerweise haben die Anhänger Erdoğans es deutlich richtiger gemacht als sie den Zehnten Bezirk für ihre Demonstration nutzten. Selbst wenn es aus polizeilich-administrativen Gründen nicht möglich gewesen sein sollte ebenso in der Nähe des Reumannplatzes eine Demonstration zu halten, so hätte sich zumindest der 16.Bezirk mindestens genauso angeboten. Immerhin ist die Gegend der Thaliastraße als „Mini-Istanbul“ bekannt. Gerade die Bezirke, in denen die türkischstämmige ArbeiterInnenklasse lebt wären aus unzähligen Gründen deutlich sinnvoller gewesen – gerade auch an einem Sonntag, an dem höchsten ein paar Touristen neben den abgestellten Polizisten das Geschehen in der Innenstadt unmittelbar mitbekommen.
Die Ursache dafür ist schlicht und ergreifend die falsche Orientierung diverser stalinistisch-türkischer Organisationen, die nicht nur fälschlicherweise zu wenig auf das Proletariat in Österreich orientiert ist (und stattdessen die StudentInnen überschätzen) sondern auch in der Vergangenheit zu einem Thema, das gerade für türkische Muslime von Bedeutung ist kaum bis gar keine Präsenz zeigten: Solidarität mit dem Widerstand in Palästina! Die Rechnung für diese Ignoranz zeigt sich dementsprechend in der Mobilisierungskraft der Aktionen jetzt. Der Kampf aber um den Einfluss in den ArbeiterInnenmassen kann nie voll siegreich sein, wenn solche zentralen Ereignisse ignoriert werden. Selbst wenn es durchaus sehr rückschrittliche Elemente unter den TeilnehmerInnen, geschweige den Organisatoren der Palästina-Solidaritätsaktionen gibt und diese unter den letzteren klar dominieren, so ist die Sache selbst höchst wichtig und fortschrittlich. Den Kampf um den Einfluss in diesen Aktionen gar nicht erst zu führen, bedeutet den reaktionären, islamistischen Kräften freie Bahn zu lassen und gleichzeitig zentrale und fortschrittliche Weltereignisse faktisch zu ignorieren.
Doch die Fehler der türkisch-stalinistischen Organisationen sind nichts im Vergleich zum Versagen und der Ignoranz der österreichischen Pseudo-Revolutionäre. Auch bei der Demonstration am 23.Juni waren die Zentristen der Linkswende, des Arbeiter*Innenstandpunkt (der inzwischen nichts mit der revolutionären Tradition des früheren ArbeiterInnenstandpunkt und der Liga der Sozialistischen Revolution zu tun hat), geschweige denn des Funke und anderer Organisationen, nicht einmal zur Verteilung von Propaganda geschweige denn einer lebhaften Intervention mittels eines Blocks anwesend. Wenn man den türkisch-stalinistischen Organisationen vorwerfen kann, dass sie den StudentInnen eine zu große Aufmerksamkeit widmen, so kann man sagen, dass die österreichischen Zentristen, nicht nur die StudentInnen als zu wichtig betrachten sondern sie sogar zusammen mit den österreichischen ArbeiterInnenaristokraten als den Bauchnabel des Klassenkampfes sehen. Die zentristischen Organisationen, die sich als Trotzkisten bezeichnen, haben von Trotzki wahrlich nichts gelernt. Dieser hätte solche Massenbewegungen niemals ignoriert geschweige denn den StudentInnen und ArbeiterInnenaristokraten den roten Teppich ausgerollt.
„Taksim ist überall – überall ist Widerstand!“ – nur nicht in den vier Wänden der Zentristen. Doch um fair zu bleiben: Wenn es nach den Arbeitermassen geht, können diese Zentristen gerne in ihren eigenen vier Wänden bleiben und darauf hoffen, dass die Sonne der Kultur irgendwann mal so dermaßen niedrig stehe, dass diese Zwerge es auch mal schaffen einen langen Schatten zu werfen.
Währenddessen begnügen wir uns von der RKOB und Red*REVOLUTION damit „Tek yol devrim!“ Wirklichkeit werden zu lassen.