Brasilien: Solidarität mit dem Volksaufstand!

Stellungnahme der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenzen (RCIT) und Blog El Mundo Socialista (Brasilien)

19.06.2013, www.thecommunists.net und http://elmundosocialista.blogspot.com.br

 

Übersetzung aus dem Englischen (von Marc Hangler)

 

1. Brasilien hat sich der Kette der spontanen Volksaufstände gegen die brutale undemokratische und schmarotzerische Politik der kapitalistischen, herrschenden Klassen der ganzen Welt angeschlossen. Alleine am 17. Juni marschierten 250.000 Menschen auf den Straßen gegen Preissteigerungen im öffentlichen Verkehr, Korruption und Polizeigewalt. Dies zeigt einmal mehr, dass die Verschärfung der sozialen und politischen Widersprüche in der revolutionären Periode der historischen Krise des Kapitalismus, die im Jahr 2008 begann, weltweit immer wieder zu revolutionären Explosionen führt. Die Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RKIT) und El Mundo Socialista (EMS) begrüßen und unterstützen diese Proteste.

 

 

2. Wie so oft bei revolutionären Ereignissen, entwickelte sich eine Bewegung durch einen scheinbar kleinen Zwischenfall. Nachdem die Stadtverwaltung von São Paulo - angeführt von der reformistischen "Arbeiterpartei" (PT) - die Fahrpreise für öffentliche Busse und U-Bahnen um 6% oder R $ 0,20 (ca. $ 0,10) erhöhte, organisierte die Movimento Passe Livre (MPL) Proteste. Wie es so üblich ist im krisengeschüttelten Kapitalismus, antworteten die herrschende Klasse und ihre reformistischen Komplizen bald mit brutaler Polizeigewalt. In der Nacht des 13. Juni feuerte in São Paulo die Polizei Tränengas und Gummigeschosse wahllos auf friedliche Demonstranten, Journalisten und Passanten. Viele Demonstranten wurden verletzt, zusammen mit mindestens acht Journalisten, von denen einer auf einem Auge erblindete nachdem er von einem Gummigeschoß getroffen wurde. Wie in der Türkei, provozierte diese Polizeibrutalität einen Sturm an Massenprotesten im ganzen Land. Am 18. Juni fanden Massendemonstrationen nicht nur in den Metropolen wie Rio de Janeiro, São Paulo, Porto Alegre oder Brasilia statt, sondern auch in 30 kleineren Städten.

 

3. Während der Preisanstieg und die Brutalität der Polizei der Auslöser für die sozialen Explosionen waren, offenbart der Volksaufstand die tief sitzende Abscheu des Volkes gegen die korrupte Elite in Wirtschaft und Verwaltung. Die von der PT angeführten Volksfront-Regierungen des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula und seines Nachfolgers Dilma Rouseff - seit 2003 ohne Unterbrechung an der Macht - regieren das Land im Dienste der multinationalen Konzerne und der heimische Elite. Das Land hat immer noch einen der weltweit höchsten Einkommensunterschiede. Nach Angaben der UNO leben etwa 27% der städtischen Bevölkerung in Favelas (Slums). Alleine Rio de Janeiro hat mehr als 1.000 Favelas! Zur gleichen Zeit verbraucht die PT-Regierung Milliarden an Dollar für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro.

 

 

4. Die Politik der Lula/Rouseff Regierungen in den letzten 11 Jahren zeigt einmal mehr, dass die reformistische PT-Bürokratie ein Komplize der kapitalistischen Klasse ist. Während sie sich für die soziale Gerechtigkeit ausspricht und mehrmals Gastgeber für das World Social Forum war, während sie die Führungen der meisten Gewerkschaften in der Hand hat, dient sie in Wirklichkeit die herrschende Klasse und fungiert als dessen Agent in den Reihen der ArbeiterInnenbewegung. Es ist höchste Zeit, dass die städtischen und ländlichen Arbeiterinnen und Arbeiter und ihre Organisationen mit den reformistischen, bürokratischen Führern brechen und eine neue Partei der ArbeiterInnenklasse aufbauen, die - im Gegensatz zu der PT heute - unabhängig von der Bourgeoisie ist und auf der Basis eines revolutionären Programm steht.

 

 

5. Der Volksaufstand stellt den größten Klassenkampf in Brasilien seit mehr als zwanzig Jahren dar und eröffnet damit eine neue politische Phase mit enormen Möglichkeiten. Doch die Bewegung zeichnet sich derzeit durch eine Reihe von politischen und organisatorischen Schwächen aus, die nicht unähnlich der Occupy-Bewegung in den USA oder der Indignados-Bewegung in Spanien sind:

 

 

* Eine Dominanz der Studenten und der Mittelschicht und zugleich eine mangelnde Beteiligung der organisierten Arbeiterklasse und den unteren Schichten der Volksmassen;

 

 

* Ein Mangel an Organisierung und ein starker Einfluss der kleinbürgerlich-libertären Ideologien gegen Parteien als solche - was einigermaßen verständlich ist angesichts der Erfahrungen der Menschen mit den korrupten Parteien der bürgerlichen Unternehmen wie der PSDB, der PT usw.

 

 

* Der Kampf hat sich bis jetzt nicht auf Streiks in den Betrieben ausgeweitet, sondern bleibt auf den Straßen.

 

 

6. Um diese Schwächen zu überwinden, müssen RevolutionärInnen zu regelmäßigen Massenversammlungen der ArbeiterInnen und Unterdrückten aufrufen – in den Betrieben, den Stadtvierteln und Favelas ebenso wie in den Bildungseinrichtungen. Diese Versammlungen sollten zur Bildung von Aktionskomitees führen. Diese Komitees sollten Delegierte wählen, um ein Nationales Leitungskomitee zu bilden, um den Kampf effektiv zu führen.

 

 

7. Solche Aktionskomitees sollen sich darauf konzentrieren die Gewerkschaften und andere Massenorganisationen der ArbeiterInnen und Unterdrückten dafür zu gewinnen, sich dem Kampf anzuschließen. Kein Zweifel, dafür ist es notwendig gegen die bürokratischen Führungen dieser Massenorganisationen zu kämpfen, die enge Beziehungen haben mit der von der PT geführten Volksfront-Regierung. Eine solche Kampagne sollte sich auf die Vorbereitung und Organisierung eines Generalstreiks gegen die undemokratische und schmarotzerische Politik der Regierung orientieren.

 

 

8. Um sich gegen die brutale Polizeigewalt zu verteidigen, müssen die AktivistInnen Selbstverteidigungskomitees aufbauen. Solche Komitees ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um die Bewegung gegen die Schläger in Uniform zu schützen. Darüber hinaus begrüßen wir die Bemühungen von SozialistInnen und GewerkschafterInnen Demonstrationsblöcke zu bilden um sich während der Demonstrationen gegen Angriffe durch Provokateure sowie gegen die hardcore-libertären Anti-Parteien-Schläger zu verteidigen.

 

 

9. Natürlich können solche Mobilisierungen - so wichtig sie auch sind - allenfalls vorübergehend die Angriffe der herrschenden kapitalistischen Klasse mildern. Aber solange die Kapitalisten die Wirtschaft und den Staatsapparat besitzen und kontrollieren, solange die Gesellschaft dem Gesetz des Profits untergeordnet ist, so lange wird Elend und Krise ein fester Bestandteil des Lebens der Massen sein. Die einzige dauerhafte Lösung ist die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus und der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. Die RCIT und die EMS rufen die Arbeiterinnen und Arbeiter und Unterdrückten auf, sich für eine solche Perspektive zu organisieren und für eine Arbeiterregierung, unterstützt von den armen Bauern und den städtischen Armen und basierend auf den Räten und Milizen zu kämpfen.

 

 

10. Die RCIT und EMS weisen darauf hin, dass der Volksaufstand in Brasilien nicht nur durch das System des globalen Imperialismus verursacht wird, sondern auch Teil der internationalen Welle von Aufständen ist, die in der arabischen Welt vor zwei Jahren begonnen haben und die sich nach Südafrika, Südeuropa, der Türkei und nun auch Lateinamerika verbreitet haben. Die Bewegung braucht daher eine internationale Ausrichtung sowie ein internationales Programm, um gegen den Kapitalismus zu kämpfen.

 

11. Der Volksaufstand in Brasilien - wie alle anderen revolutionären Umwälzungen in den letzten Jahren - wurde von einer dramatischen Krise der Führung geprägt. Die Arbeiterklasse verfügt nicht über eine revolutionäre Partei, die vorzeigen kann wie der Kampf zu führen ist um Niederlagen durch die Angriffe der herrschenden Klasse zu vermeiden. Dies wurde einmal mehr im Laufe des jüngsten Kampfes der Lehrer in São Paulo klar, der von der pro-PT Gewerkschaftsbürokratie mit Hilfe der zentristischen, morenistischen PSTU und PSOL verkauft wurde. Es ist dringend notwendig, dass die RevolutionärInnen in Brasilien ihre Kräfte auf der Grundlage eines revolutionären Aktionsprogramms vereinen, um einen ersten Kern einer Partei der Bolschewiki zu bilden. Solch ein Kern sollte nicht nur auf einem nationalen sondern auch auf einem internationalen Programm sowie einer internationalen Organisierung basieren. Die RCIT und EMS werden alle ernsthaften Bemühungen, die ernsthafte Schritte in eine solche Richtung darstellen unterstützen.

 

 

* Vorwärts im Aufbau einer neuen, revolutionären ArbeiterInnenpartei in Brasilien, als Teil einer neuen revolutionären ArbeiterInneninternationale!