Ein Nachruf der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT), 28. August 2022, www.thecommunists.net
Unser Genosse Detlef Mühling ist vor wenigen Tagen völlig unerwartet im Alter von 70 Jahren in Kassel (Deutschland) verstorben. Wir sprechen seiner Frau und Genossin Anita unser tief empfundenes Beileid aus. Detlef ist gewähltes Mitglied des Internationalen Exekutivkomitees der RCIT. Er war einer aus unserer „Alten Garde“, ein Mitglied der RCIT bzw. seine Vorgängerorganisation seit fast einem Vierteljahrhundert.
Wie viele andere wurde Detlef als Schüler in der 68er-Bewegung radikalisiert. Er wurde Aktivist einer maoistischen Organisation. Später schloss er sich jedoch der trotzkistischen Bewegung an und wurde 1998 Mitglied unserer Vorgängerorganisation – der „Liga für eine Revolutionär-Kommunistische Internationale“. Er war Leiter der Kasseler Ortsgruppe und gehörte der nationalen Leitung ihrer deutschen Sektion an.
Genosse Detlef widersetzte sich der politischen Degeneration unserer Vorgängerorganisation und verließ sie schließlich 2014. Im darauffolgenden Jahr trat er der RCIT bei, die von einem Kern von Kadern gegründet worden war, die nach kurzem Fraktionskampf im April 2011 bürokratisch aus derselben Organisation ausgeschlossen wurden.
Detlef war sein Leben lang ein Kämpfer für die Sache des Sozialismus gewesen. Er verstand, dass dieser Kampf den Aufbau einer revolutionären Partei erfordert, die unnachgiebig gegen die reformistische Bürokratie als auch gegen opportunistische Abweichungen kämpft. Durch seine unermüdliche Arbeit vor Ort, vor allem im Raum Kassel, rekrutierte er zahlreiche Genossen für die Sache des revolutionären Marxismus.
Er engagierte sich seit vielen Jahren besonders in der Umweltbewegung und beteiligte sich an zahlreichen Aktivitäten. In den letzten Jahren war er maßgeblich am Aufbau einer lokalen Initiative gegen Atomenergie beteiligt.
Seit 2015 engagieren sich Detlef und seine GenossInnen auch besonders in der Flüchtlingssolidarität. Er half beim Aufbau lokaler Gruppen, die praktische Hilfe für Flüchtlinge organisierten. Die GenossInnen verbanden dies mit politischer Bildung und erklärten die Rolle von Imperialismus und Rassismus und die Bedeutung des Aufbaus einer internationalen Einheit von ArbeiterInnen und Unterdrückten über die Grenzen hinweg.
Genosse Detlef war auch Mitglied des europäischen Büros der RCIT und nahm durchgehend an den zweiwöchentlichen Sitzungen teil. Er war bekannt für seine ernsthafte Vorbereitung der Treffen und seine durchdachten Beiträge. Tatsächlich blieb er bis zu den letzten Tagen seines Lebens ein äußerst aktives Mitglied unserer Organisation.
Eines der letzten Treffen, an denen er teilnahm, war eine Konferenz am 6. August, auf der die Genossen der „Sozialistischen Tendenz“ in Russland der RCIT auf der Grundlage der Übereinstimmung über die Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Imperialismus beitraten. Er starb in dem Wissen, dass unsere Bewegung voranschreitet!
Genosse Detlef Mühling war ein lebenslanger Revolutionär – von seiner Schülerzeit bis zu seinem letzten Atemzug. Er war ein überzeugter Trotzkist und fast ein Vierteljahrhundert lang ein treues Mitglied unserer Organisation. Körperlich ist er nicht mehr unter uns. Aber er wird in unserer Erinnerung weiterleben und sein Beitrag zur Sache der sozialistischen Revolution wird unsterblich sein!
Internationales Büro der RCIT
Von Medina Gunić, Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT), 27. August 2022, www.thecommunists.net
Es ist sehr schmerzlich, den plötzlichen Tod unseres deutschen Genossen Detlef Mühling zu verarbeiten. Im Alter von 70 Jahren erlitt er einen Schlaganfall und starb innerhalb von zwei Tagen im Krankenhaus.
Genosse Detlef war einer der gewissenhaftesten Genossen, die man sich vorstellen kann. Als er ohne jede Erklärung ein internationales Treffen verpasste, das wir gerade erst abhielten, wussten wir schon, dass etwas nicht stimmen kann. Es war nicht seine Herangehensweise, ein Treffen zu verpassen, schon gar nicht ohne Erklärung. Detlef hatte eine stille, aber tiefe Hingabe an die revolutionäre Arbeit. Er war sein ganzes Erwachsenenleben lang ein revolutionärer Aktivist.
Meine allererste Begegnung mit Genosse Detlef war vor sieben Jahren. Obwohl ich ihn seitdem mehrmals persönlich getroffen und in den letzten Jahren fast jede zweite Woche mit ihm gesprochen habe, hat sich mein erster Eindruck von ihm nicht geändert. Er entwickelte sich politisch weiter, er wurde ein besserer Artikelschreiber und er begann Einleitungen und politische Analysen in schriftlicher Form und systematisch vorzubereiten, bevor wir Treffen hatten. Seine Persönlichkeit würde jedoch dieselbe bleiben. Genosse Detlef war bis ins tiefste Mark ein authentischer Charakter.
Nie hat er mit seinen Leistungen geprahlt, nie hat er sich gegenüber jungen GenossInnen oder anderen Menschen arrogant verhalten. Immer ermutigend und positiv gegenüber der Arbeit anderer GenossInnen, wechselte er sofort das Thema, wenn man seine Arbeit lobte. Selbst während ich diesen Nachruf schreibe, sehe ich den Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht. Ich höre, wie er anfängt, über die Energiekrise in Deutschland zu sprechen und wie sie die ArbeiterInnen und Armen trifft. Und ich erkenne, wie er wieder versucht, die Aufmerksamkeit von seiner Person abzulenken. Wie er versucht den Fokus vollkommen auf die anstehenden revolutionären Aufgaben zu ziehen.
Detlef war leidenschaftlich engagiert in der Arbeit mit Migranten, insbesondere aus dem Nahen Osten und Subsahara-Afrika. Er lebte sein ganzes Leben in einem westlich-imperialistischen Land, aber alle seine Worte und Taten waren völlig frei von imperialistischer Arroganz, widmeten sich dem Dienst und der Unterstützung von Flüchtlingen und Migranten. Detlef war nicht nur gegen Rassismus und Sozialimperialismus. Seiner politischen DNA und seiner ganzen Persönlichkeit waren diese reaktionären Ideologien völlig fremd.
Als die RCIT ihre programmatischen Thesen zu Subsahara-Afrika ausarbeitete und sich auf die Arbeit in Ländern des schwarzen Kontinents konzentrierte, war Detlef hellauf begeistert und mobilisierte, was er konnte, um eine solche Ausrichtung unserer internationalen Organisation zu unterstützen. Er würde antizipieren was gebraucht wird, und sich darum kümmern, ohne viel Aufhebens zu machen.
Detlef würde eine Situation analysieren, indem er verschiedene Eindrücke sammelte und wiedergab, alles zusammenfügte und das Unnötige verwarf, um eine systematische Schlussfolgerung zu erarbeiten, die in den nächsten Handlungsschritten gipfelte. Man konnte die Anstrengung seiner intellektuellen Arbeit sehen, seine Wachsamkeit, aus den allgemeinen Entwicklungen des Klassenkampfes die Spitze revolutionärer Schlussfolgerungen herauszuarbeiten. Nach der Ausarbeitung der gemeinsam mit seinen GenossInnen besprochenen Aufgaben endete Detlef oft mit einfachen Worten wie „Also gut.“, um sich dann kurzerhand an die Arbeit zu machen. Bei unserem nächsten Gespräch hatte er schon praktische Schritte der besprochenen Aufgaben umgesetzt.
Detlef war mehr als alle Eindrücke, die ich über ihn wiedergeben kann. Er verkörperte revolutionären Ethos. Einen Genossen wie ihn zu verlieren, ist der schwerste Teil unseres Kampfes für eine sozialistische Zukunft. Wir schulden ihm, disen Kampf auf höchstem Tempo weiterzuführen. Dafür Alles zu geben was wir haben. Also gut.
Ein Nachruf von Michael Pröbsting, Internationaler Sekretär der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT), 28. August 2022, www.thecommunists.net
Es ist eine besonders traurige Aufgabe, einen Nachruf auf einen Genossen zu schreiben, mit dem ich fast ein Vierteljahrhundert lang für dieselbe Sache gekämpft habe. Ich möchte an dieser Stelle die biographischen Details über das Leben unseres deutschen Genossen Detlef Mühling nicht wiederholen. Stattdessen möchte ich ein paar Worte zu meiner persönlichen Erinnerung an meinen bemerkenswerten Mitstreiter sagen.
Sein plötzlicher Tod kam für uns völlig überraschend, da er bis zu seinen letzten Tagen aktiv und voller Tatendrang war. Tatsächlich hat er sich nicht sehr verändert – weder körperlich noch geistig – seit ich ihn Ende der 1990er Jahre zum ersten Mal getroffen habe. Sein Bart wurde zwar etwas grauer, aber das war fast alles, was dem Wandel der Zeit unterlag! Er war immer voller Pläne. Fast jeder Brief, jeder Bericht enthielt Details über seine Ideen für einen nächsten Artikel oder für seine nächste Analyse oder für die nächste praktische Kampagne. Natürlich konnte er nicht alle seine Pläne verwirklichen –wer schafft das schon?!
Was an ihm so bemerkenswert war, war das völlige Fehlen jeglichen Zynismus in seinem Charakter; er war ohne jegliches Abstumpfen der revolutionären Hingabe. Wie bemerkenswert gerade auch im direkten Vergleich mit der endlosen Brigade gebrochener Abtrünniger, die auf den Eintritt ins Nirvana warten, wo sie auf Karriere oder einfach ein ruhiges Leben hoffen … und wo sie letztendlich nur ein sinnloses Leben ohne Inhalt vorfinden! Detlef war anders – er hat sein ganzes Leben lang sein tiefes Engagement für die Sache der Revolution und der Partei bewahrt.
Detlef war ein außerordentlich weicher und bescheidener Genosse. Er drängte sich nicht in den Vordergrund und sprach bei Treffen kaum als Erster. Gleichzeitig war er ein fleißiger Genosse, der viel zu diesem oder jenem Thema recherchierte und Andere mit interessanten Informationen und Ressourcen versorgte.
Da ich nie Mitglied seiner Sektion war, konnte ich ihn bei seiner täglichen politischen Arbeit nicht beobachten. Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass er ein ausgezeichneter Organisationsaufbauer gewesen war. Dies lag nicht an irgendwelchen besonderen Fähigkeiten als Redner. Nein, er glänzte durch seine Arbeit, seine Geduld, seine Unterstützung für seine MitstreiterInnen. Tatsächlich war er sehr erfolgreich darin, neue Mitglieder für die Organisation zu gewinnen und UnterstützerInnen um sich herum aufzubauen. Dies ist, ich erlaube mir hinzuzufügen, ein schlagendes Beispiel dafür, dass es verschiedene Arten von guten Revolutionären gibt und dass die Kunst des Parteiaufbaus verschiedene Arten von Fähigkeiten erfordert, die normalerweise nur in einem starken Kollektiv von Kadern (und nicht in einem einzelnen „glänzenden Führer“) vorhanden sind.
Während ich den Genossen Detlef schon früh auf verschiedenen internationalen Mobilisierungen kennengelernt habe, hatte ich Ende 2002 erstmals Gelegenheit, ausführlich mit ihm zu sprechen. Das war kurz nach meinem Aufenthalt in Argentinien während der „revolutionären Tage“. Er organisierte zu diesem Thema eine öffentliche Veranstaltung in Kassel, zu der er mich als Redner einlud. Während meines Besuchs sprach ich ausführlich mit ihm über diese Erfahrung und erzählte ihm von meiner festen Überzeugung, dass unsere Organisation ihre Europazentriertheit überwinden und sich viel stärker auf eine enge Zusammenarbeit mit lateinamerikanischen TrotzkistInnen ausrichten müsse. Während ich innerhalb der internationalen Führung unserer Vorgängerorganisation isoliert blieb, war er einer der wenigen Genossen, die meinen Ansatz verstanden hatten und teilten.
Als wir später unsere Kritik an der opportunistischen Anpassung an kleinbürgerliche Bewegungen entwickelten und die Bedeutung der Arbeit unter Migranten betonten, waren wir uns wieder einig. Wir waren daher nicht überrascht, dass er uns 2015 kontaktierte und seinen Wunsch äußerte, der RCIT beizutreten.
Aufgrund der Arbeitsteilung innerhalb unserer internationalen Führung habe ich mich in den vergangenen Jahren nicht sonderlich in die Arbeit der RCIT-Sektion in Deutschland eingebracht. Allerdings habe ich in unregelmäßigen Abständen mit Detlef gesprochen. Bei unserem letzten Gespräch im Juni berichtete er über die beschämende Herangehensweise der deutschen Linken an den Ukrainekrieg und die interimperialistische Rivalität und skizzierte seine Pläne, unsere Position noch härter nach außen zu tragen. Drei Wochen vor seinem Tod schickte er mir einen Brief, in dem er betonte, dass die deutsche Linke in der jüngeren Vergangenheit bei allen großen politischen Bewährungsproben komplett gescheitert war. Er schrieb, dass „eine ‚deutsche Linke‘ immer weniger existiert“. Aber, so fügte er hinzu, „wir müssen unseren Weg fortsetzen!“
Detlef war ein privilegierter Mensch. Nicht in Bezug auf Geld oder die zweifelhaften Freuden des Lebens in der kapitalistischen Gesellschaft. Er hatte vielmehr das Privileg, eine Frau und Genossin an seiner Seite zu haben, die viele seiner Überzeugungen teilte und mit der er ein Leben in Harmonie führen konnte. Als Medina und ich ein paar Tage zu Gast in ihrem Haus waren, konnten wir sehen, wie sehr sie sich ergänzten und wie glücklich Detlef in der Beziehung war. Er starb in dem Wissen, dass er sein Leben – politisch und persönlich – so leben konnte, wie er sich das immer gewünscht hatte!
Genosse Detlef ist nicht mehr unter uns. Aber wir werden, wie er sagte, unseren Weg fortsetzen. Und durch uns werden seine Ideen, sein Engagement, sein Leben weitergehen!