Solidarität mit der „Wall Street Occupation“-Bewegung! Von der Besetzung zur Enteignung der Wall Street!

Resolution des Revolutionary Workers Collective (USA), 7.10.2011

 

1.            Seit Wochen ist die Wall Street von zu Beginn noch hunderten, inzwischen tausenden AktivistInnen besetzt. Zehntausende waren bei den letzten Demonstrationen beteiligt. Ihr Motto lautet: „Wir sind die 99%“ – sprich die 99% der Bevölkerung, die ein ebenso hohes Gesamtvermögen haben wie alleine das reichste 1% der US-Bevölkerung. Fast täglich gibt es Versammlungen, Lesungen, Demonstrationen und andere Aktionen. Was zu Beginn noch in erster Linie von StudentInnen geführt wurde, ist zur Massenbewegung geworden. Denn von Anfang an hatten die AktivistInnen Sympathie und Unterstützung in breiten Teilen der US-Bevölkerung. Inzwischen sind auch ArbeiterInnen, Arbeitslose und Menschen der lohnabhängigen Mittelschicht Teil der Bewegung.

2.            Wir, das Revolutionary Workers Collective, stehen in voller Solidarität mit der Bewegung „Wall Street Occupation“. Wir lehnen jede Form der Polizeirepression gegen die AktivistInnen ab. Wir fordern die Gewerkschaften, wie alle anderen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung dazu auf, sich ebenso solidarisch zu zeigen – nicht nur in Worten sondern auch mit Taten!

3.            Die „Wall Street Occupation“ ist eine spontane Massenbewegung. Sie hat derzeit einen massiven Aufschwung, der sich nicht nur in einem Anwachsen von TeilnehmerInnen äußert. Tagtäglich gibt es neue Solidaritätserklärungen und –aktionen in den USA wie auch weltweit. Besonders beeindruckend ist dabei auch die Unterstützung durch diverse zentrale Gewerkschaften, wie der United Steelworkers Union und der Teamster-Gewerkschaft. Auch gibt es Solidaritätserklärung von AktivistInnen in China, und Vorbereitungen für Massenproteste am 15. Oktober sowie eine Besetzungsbewegung in Toronto. Die AktivistInnen in den USA wurden vom Arabischen Frühling inspiriert und haben inzwischen selbst die Menschen weltweit ebenso inspiriert.

4.            Es wird auch Bezug genommen auf die Platzbesetzungsbewegung in Spanien und anderen Protestbewegungen in Europa dieses Jahres. Die „Wall Street Occupation“ ist auch nicht mehr lokal beschränkt, denn inzwischen gibt es Solidaritätsaktionen in Chicago, San Francisco, Denver und über 60 anderen Städten in knapp 30 Bundesstaaten der USA. In diversen Erklärungen wird um internationale Solidarität gebeten und das weltweite gemeinsame Interesse der unteren 99% betont. Es handelt sich somit um eine Massenbewegung, die sich selbst in einem internationalen Zusammenhang stellt. Und es ist eine Bewegung, auf die in der Tat die gesamte Welt blickt. Dieser internationale Anspruch ist eine zentrale Errungenschaft der Bewegung. Die herrschende Klasse der USA hat ihre Vormachtstellung in der Welt mittels massiver militärischer Unterdrückung und wirtschaftlicher Ausbeutung breiter Teile der Welt geschaffen. Die ArbeiterInnenklasse und Jugend der „Wall Street Occupation“ Bewegung dagegen zeigen durch ihre Herangehensweise und ihr Handeln eine internationalistische Haltung der Brüderlichkeit der ArbeiterInnen und der Unterdrückten weltweit. Sie demonstrieren beeindruckend, dass es nicht die Arroganz der ArbeiterInnen, sondern vielmehr die Politik der KapitalistInnen ist, die den Hass der Unterdrückten Weltweit gegen die USA als imperialistische Großmacht über Jahrzehnte hinweg provoziert hat.

5.            Als spontane Massenbewegung betont die „Wall Street Occupation“ ihren basisdemokratischen Charakter. Breite Teile der Bewegung lehnen jegliche Beteiligung von Parteien und politischen Organisationen – ähnlich wie die Platzbesetzungsbewegung in Spanien – grundsätzlich ab. Gerade PolitikerInnen der Demokratischen Partei haben oftmals versucht Massenbewegungen für sich zu nutzen. Barack Obama’s Wahlspruch „Yes, we can!“ ist derselbe, den auch die migrantische Massenbewegung am 1.Mai in den USA über Jahre hinweg verwendete („Si, se puede!“). Die Ablehnung der AktivistInnen ist daher verständlich. Die Gefahr, dass tatsächlich bürgerliche Parteien sich diese Bewegung zu nutze machen, ist real. Dennoch darf die Antwort nicht das Ablehnen jeglicher politischer Organisierung sein, sondern vielmehr der Aufbau einer neuen Partei, einer Partei der ArbeiterInnen, der Jugendlichen, die aus den Reihen der jetzigen Massenbewegung entsteht und aus ihren Erfahrungen lernt. Wir als revolutionäre KommunistInnen setzen uns dafür ein, dass das Programm wie die gesamte Politik einer solchen Partei konsequent proletarisch und damit revolutionär-kommunistisch ist. Eine neue ArbeiterInnenpartei auf der Basis eines revolutionären Programms wäre fähig, die Massen in ihrem Kampf zu führen und die richtigen Taktiken zur rechten Zeit auszusprechen. Sie wäre in der Lage, eines der zentralen Probleme der US-ArbeiterInnenbewegung anzugehen: der Kampf in den Gewerkschaften gegen die sklavische Abhängigkeit der Bürokratie von der Demokratischen Partei und die Gewinnung der Gewerkschaften für den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei.

6.            Gerade auf Grund des spontanen, und somit noch zu beschränkten, Charakters der „Wall Street Occupation“ Bewegung ist eine der zentralen Aufgaben der Aufbau von Strukturen der Selbstorganisation. Wir brauchen jetzt Aktionskomitees, die sich nicht nur am Platz selbst formieren um direkt-demokratisch die Planung und Koordinierung von Aktionen vorzunehmen. Solche Komitees müssten vielmehr auch in Betrieben, in Schulen und Universitäten gebildet werden, um den Kampf auf diese Arbeits- und Ausbildungsstätte auszuweiten. Diese Strukturen müssen dafür genutzt werden, um sich demokratisch organisieren zu können wie auch VertreterInnen für überregionale Aktionen und Konferenzen wählen zu können, die unter direkter Kontrolle der Massen stehen, aus ihren eigenen Reihen stammen und jederzeit abwählbar sind. Solche Aktionskomitees können auch die Grundlage darstellen, um zur Verwirklichung von Forderungen höhere Protestformen zu wählen. Denn um selbst die Angriffe auf das Sozial- und Gesundheitswesen abzuwehren, sind Streiks bzw. Massenstreiks bis hin zum Generalstreik notwendig. Denn auf Dauer ist eine reine Platzbesetzung, und sei sie auch noch so groß, in Kombination mit Massendemonstrationen nicht ausreichend um die Forderungen der Bewegung umzusetzen.

7.            Die Forderungen der „Wall Street Occupation“ gehen nämlich zu Recht weit über einzelne ökonomische Reformen hinaus. Sie prangern die herrschende Klasse der USA an, korrupt zu sein, imperialistische Kriege zu führen, den Profit über den Menschen zu stellen, eine permanente Monopolisierung zu Lasten der Farmer zu betreiben, ArbeiterInnen auf Grund von Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht oder Sexualität zu diskriminieren, das Bildungssystem auszuverkaufen, und die Arbeits- und Lebensqualität unserer Klasse, der ArbeiterInnenklasse, zu ihrem eigenen Gunsten dramatisch zu verschlechtern. Damit all diese Dinge tatsächlich geändert werden, bedarf es mehr als die Bewegung derzeit an Aktionen setzt. Es bedarf eines massiven Schlages gegen das Herz der herrschenden Klasse, gegen ihre Staat und ihre Wirtschaft.

8.            Die zentrale Aufgabe in den nächsten Tagen und Wochen besteht darin, dass die Bewegung ein Aktionsprogramm diskutiert und als ihre öffentliche Plattform beschließt. Ein solches Programm muss einerseits konkrete und unmittelbare Forderungen zur Bekämpfung der dringendsten Nöte der Menschen beinhalten. Dazu gehören Forderungen gegen jede Kürzung im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie den Pensionen, gegen Entlassungen und Lohnkürzungen, gegen die Untergrabung der Rechte der Gewerkschaften, gegen die Allmacht der selbstherrlichen Polizei und anderer Organe des Staatsapparates usw. Andererseits muss die Bewegung aber auch Losungen ins Zentrum rücken, die die wesentlichen Herausforderungen der kapitalistischen Krise in Angriff nehmen. Dazu zählen v.a. die Verstaatlichung der Banken und Finanzinstitute unter Kontrolle der Beschäftigten, die Streichung aller Schulden sowie die Abschaffung der Börse und die Verstaatlichung des dort gehandelten Vermögens bei vollständiger Entschädigung aller kleinen AktienbesitzerInnen. Ebenso wichtig ist der Kampf für ein öffentliches Beschäftigungsprogramm zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit und dem Ausbau der öffentlichen Infrastruktur.

9.            Besonders vordringlich ist die Losung nach Enteignung der Superreichen. Denn die Wall Street und die reiche Elite können nicht durch Reformen und Regulationen kontrolliert werden. Dies ist eine Illusion, der gegenwärtig viele AktivistInnen in der Bewegung anhängen. Doch wer zahlt, schafft an. Das Großkapital besticht auf vielfältige Weise den Staatsapparat und die Politiker. Kann man ernsthaft annehmen, dass die Staatsbeamte und Kongreßabgeordnete – die durch Lobbying, Wahlkampfspenden, Vergünstigungen und Karriereaussichten in der Privatwirtschaft durch und durch korrumpiert sind – die Wall Street und die Konzerne kontrollieren würden?! Ebensowenig ist es möglich, durch eine Reichensteuer die notwendige Umorientierung in der Wirtschaft und Gesellschaft herbeizuführen. Eine solche Steuer beschafft nicht die notwendigen Mittel und läßt den Reichen die Möglichkeit, steuerliche Schlupflöcher zu finden oder ihr Kapital ins Ausland zu transferieren. Nein, nur durch die Enteignung der Kapitalistenklasse kann die Wirtschaft unter die Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung gebracht werden. Doch eine solche Enteignung ist letztlich nur durch eine sozialistische Revolution – also dem gewaltsamen Sturz der herrschenden Klasse durch die ArbeiterInnenklasse und die unterdrückten – und dem Aufbau einer räte-demokratischen, sozialistischen Gesellschaft möglich. In einer solchen sozialistischen Gesellschaft würde die politische Entscheidungsfindung nicht mehr in abgehobenen Kongressen und Senaten stattfinden, sondern in von unten nach oben aufgebauten Räten, deren Delegierte von der Basis jederzeit kontrolliert und abgewählt werden können.

10.          Die herrschende Klasse wird alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um eine solche Entwicklung zu verhindern. Sie werden ihren vollen Unterdrückungsapparat – von der Polizei bis hin zum Militär – mobilisieren und eine massive Hetze gegen die AktivistInnen betreiben. Umso wichtiger ist es, die pazifistischen Illusionen, die es derzeit gibt, endlich aufzugeben. In gewissem Sinne erinnert die „Wall Street Occupation“ an die Anti-Globalisierungsbewegung in den 2000er Jahren – allerdings befindet sie sich allerdings auf einem entwickelteren politischen Niveau. Dennoch ist es die pazifistische Politik, die letztenendes höhere Aktionsformen wie dauerhafte Streiks und einen Generalstreik verunmöglicht und die Bewegung zum Scheitern verurteilt, wenn dies nicht geändert wird. Die herrschende Klasse der USA und die bürgerlichen Medien propagieren die USA immer als „Führerin in der Welt“ und ihren Präsidenten als „mächtigsten Mann der Welt“. Im Gegensatz zu der herrschenden Klasse der USA, die weltweit verhasst ist, kann in der Tat die ArbeiterInnenklasse und die Jugend in den USA jetzt ein Vorbild für das weltweite Proletariat werden. Sie kann den Weg einschlagen, der letztenendes zum Sturz der herrschenden Klasse führt: Von Besetzungen und Streiks, den unbefristeten Generalstreik bis hin zum bewaffneten Aufstand. Auf diese Weise kann tatsächlich wahr werden, was die Bewegung über sich selbst sagt: „Dies ist ein großer Schritt zur Rückeroberung der Stärke der ArbeiterInnenklasse. Diejenigen, die Profite zum Preis des Leides anderer abschöpfen, werden zur Rechenschaft gezogen. Wir sind zu viele, um zu scheitern.“ Er ist aber gleichzeitig ein Schritt, für den die herrschende Klasse einen massiven Blutzoll verlangen wird.

11.          Schon bei den friedlichen Sitzprotesten während der Besetzung der Brooklyn Bridge am. 1. Oktober kam es zu einem großen Polizeieinsatz mit Schlagstöcken, Pfefferspray und der Verhaftung von 700 AktivistInnen! Wie wird die herrschende Klasse wohl erst reagieren, wenn Kampfmaßnahmen gewählt werden, die ihr tatsächlich massiv schaden? Daher gilt es Selbstverteidigungseinheiten aufzubauen, um sich gegen die Polizei zu wehren. Vielleicht schafft es die Bewegung, den einen oder anderen Polizisten zum Überlaufen auf die Seite der Proteste zu bewegen. Aber der Polizeiapparat als solcher ist zur Unterdrückung von den AktivistInnen da. Er muss letztenendes zerschlagen werden und durch höhere Formen der Selbstverteidigungseinheiten, nämlich durch bewaffnete Milizen der ArbeiterInnen und Unterdrückten ersetzt werden. Andernfalls werden die PolizistInnen in ihrer absoluten Mehrheit das tun, was ihre Aufgabe ist: Unseren Widerstand mit aller Gewalt brechen!

12.          Die ArbeiterInnenbewegung der USA, die Gewerkschaften usw., hat keine so reiche Tradition an Klassenkämpfen wie dies die ArbeiterInnenbewegung Europas hat. Durch die Schwäche der ArbeiterInnenbewegung ist zwar deren Bürokratie auch schwächer, aber keineswegs ungefährlich. Die reformistische Herangehensweise dieser Bürokratie, ihre Beschwichtigungspolitik und der Ausverkauf der Interessen der ArbeiterInnen zur eigenen Bereicherung machen sie zu Feinden in den eigenen Reihen der ArbeiterInnenbewegung. Um eine tatsächlich starke, lebendige und kämpferische ArbeiterInnenbewegung in den USA aufzubauen gilt es, sich an der Basis zu organisieren. Wir brauchen Massenversammlungen, direkte Wahl und jederzeitige Abwählbarkeit von VetreterInnen innerhalb der ArbeiterInnenbewegung. Letztenendes braucht es eine starke ArbeiterInnenbewegung und eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei mit Verankerung in den Massen, um den Sturz der herrschenden Klasse durch eine Revolution zu vollziehen. Auf diesem Weg ist es möglich eine Gesellschaft aufzubauen, wie sie von der „Wall Street Occupation“ Bewegung gefordert wird: Eine Gesellschaft der Gerechtigkeit für die Massen, der Ausrottung jeglicher rassistischer, sexistischer und sonstiger Unterdrückung – eine Gesellschaft im Interesse der ArbeiterInnenklasse, eine sozialistische Gesellschaft. Für eine solche Gesellschaft kämpfen wir vom Revolutionary Workers Collective gemeinsam mit unseren Schwesternorganisationen – die Revolutionär-Kommunistische Organisation zur Befreiung (Österreich), die United Lanka Workers Party (Sri Lanka) und die Revolutionary Workers Organisation (Pakistan). Um diesen Kampf international zu führen, treten wir für den Aufbau einer revolutionären 5. ArbeiterInnen-Internationale ein.