Nach der Erstürmung der israelischen Botschaft in Kairo: Der Kampf gegen den Apartheid-Staat Israel ist ein unentbehrlicher Bestandteil der Arabischen Revolution!
Resolution der Revolutionär-Kommunistischen Organisation zur Befreiung (RKOB), 15.9.2011
1. Am 9. September protestierten tausende ägyptische DemonstrantInnen vor der israelischen Botschaft in Kairo, rissen die von der Armee errichtete Absperrmauer nieder und erstürmten schließlich die Botschaft. Der israelische Botschafter verließ daraufhin unter dem Schutz der ägyptischen Armee fluchtartig das Land. Trotz der großen Opfer, die die ägyptischen DemonstrantInnen bei ihrer antiimperialistischen Aktion zu bezahlen hatten – der ägyptische Repressionsapparat tötete mindestens drei Menschen und verletzte mehr als 1.000 – war diese Erstürmung der israelischen Botschaft eine außergewöhnlich wichtige und erfolgreiche Tat.
2. Die RKOB begrüßt uneingeschränkt die heldenhafte Aktion der ägyptischen Demokratiebewegung. Zurecht rief sie die überwältigende Zustimmung in der arabischen Welt und bei allen fortschrittlichen, internationalistischen Kräften weltweit hervor. Die Botschaft ist das Symbol für den verhaßten rassistischen Apartheid-Staat Israel.
3. Dieser Staat kann nur deswegen existieren, weil auf seinem Territorium mit Hilfe der imperialistischen Großmächte im Laufe des 20. Jahrhunderts systematisch jüdische Siedler angesiedelt wurden (Anfang des 20. Jahrhunderts lebten in Palästina nur einige zehntausend Jüdinnen und Juden). Israel kann nur deswegen existieren, weil es bei seiner Gründung die einheimische palästinensische Bevölkerung – mehr als 750.000! – aus ihrer Heimat in Flüchtlingslager vertrieb. Seine Existenz geht darüberhinaus Hand in Hand mit Eroberungskriegen, Besatzung und tagtäglichem Terror gegen die palästinensische Bevölkerung im Gaza und der Westbank. Schließlich kann Israel nur deswegen existieren, weil es ein regionaler Wachhund der imperialistischen Großmächte ist und als solcher außergewöhnlich große wirtschaftliche und militärische Unterstützung von diesen erhält. (z.B. ist Israel die Nr. 1 unter den Beziehern der US-Auslandshilfe)
4. Die DemonstrantInnen zeigten der ganzen Welt: die arabischen Massen weisen die Politik der Zusammenarbeit mit dem rassistischen Unterdrückerstaat Israel, die von den reaktionären arabischen Despoten seit 1978 betrieben wurde, zurück. Die RKOB teilt die Forderungen vieler fortschrittlichen ArbeiterInnen und Jugendlichen in Ägypten nach einem Abbruch aller Beziehungen zu Israel. Darunter fallen nicht nur die Ausweisung des Botschafters, sondern auch die Beendigung der seit 2004 laufenden Gaslieferungen Ägyptens an Israel sowie die vollständige Öffnung der Grenze zum Gaza.
5. Die RKOB unterstützt ebenso die von zahlreichen palästinensischen Organisationen initiierte und von vielen fortschrittlichen Organisationen und Gewerkschaften – inklusive fortschrittlicher jüdischer Organisationen wie den „Jüdischen Stimmen für einen gerechten Frieden im Nahen Osten“ – weltweit getragene Boykott-Kampagne gegen den Staat Israel. Der Staat Israel darf keine Waffen und keine weiteren Unterstützungsgelder erhalten! Die Gewerkschaften müssen einen Boykott gegen Israel organisieren und gleichzeitig die Unterstützung für die PalästinenserInnen ankurbeln. Die rassistische Gewerkschaft in Israel – Histadrut – muß aus dem „Internationalen Gewerkschaftsbund“ ausgeschlossen werden. Die fortschrittlichen Organisationen an den Hochschulen sollen den Kontakt mit zionistischen Institutionen in Israel abbrechen. Sie sollen gleichzeitig die Zusammenarbeit mit palästinensischen und antizionistischen jüdischen Kräften ausbauen. Nicht nur in Kairo sondern in allen Ländern müssen die diplomatischen Vertretungen Israels zum Ziel von breiten, militanten Proteste werden!
Für die Zerschlagung des Apartheid-Staates Israel!
6. Die RKOB unterstützt den nationalen Befreiungskampf des palästinensischen Volkes. Deswegen stehen wir in den Kämpfen zwischen den PalästinenserInnen und dem israelischen Staat auf seiten ersterer – ungeachtet unser scharfen Ablehnung der kleinbürgerlichen und bürgerlichen Kräfte an der Spitze dieser Kämpfe (wie z.B. Hamas). Alle PalästinenserInnen müssen das Recht auf Rückkehr in ihre Heimat haben. Ebenso muß der Landraub rückgängig gemacht und den PalästinenserInnen ihr Land rückerstattet werden. Die Rückkehr der Vertriebenen bedeutet natürlich, daß die PalästinenserInnen dann die Mehrheit der Bevölkerung darstellen.
7. Dies zeigt, daß Israel kein „normaler“ kapitalistischer Klassenstaat ist. Seine Existenz als kapitalistischer Staat ist historisch und unauslöschlich verwoben mit seiner Existenz als kolonialer Siedlerstaat, der nur mit den Mitteln der Apartheid und des direkten Terrors die Vertreibung und Unterdrückung der ursprünglichen palästinensischen Bevölkerung aufrechterhalten kann. Israel ist ein kapitalistischer Staat, in dessen Wesen Klassenausbeutung und nationale Unterdrückung zu einer unauslöschlichen Einheit verschmolzen sind. Die Aufhebung der Klassenausbeutung kann daher nur Hand in Hand mit der Aufhebung der nationalen Unterdrückung gehen und umgekehrt und dies wiederum ist nur möglich durch die Zerschlagung der Staates Israel als eines separaten jüdischen Staates. Zwar ist Israel keine imperialistische Macht, aber es ist zweifellos ein außergewöhnlich privilegierter halb-kolonialer kapitalistischer Staat, der seine Rolle als Wachhund der imperialistischen Interessen im Nahen Osten mit dem Vorantreiben seiner eigenen Machtinteressen verbindet.
8. Wir lehnen daher die Existenz eines jüdischen Staates in Palästina ab, denn dieser kann nur solange bestehen bleiben, solange die Vertreibung der PalästinenserInnen aufrecht bleibt. Wir lehnen daher ebenso eine „Zwei-Staaten-Lösung“ ab. Dadurch würde den PalästinenserInnen das Rückkehrrecht verunmöglicht werden. Ebenso würde ein palästinensischer Staat in der Westbank und Gaza zu einem Bantustan, einer abhängigen de-facto-Kolonie des viel reicheren und mächtigeren Israel verkommen. Der Staat Israel muß zerschlagen und durch eine weltliche, arabisch-jüdischen ArbeiterInnen-Republik in ganz Palästina ersetzt werden. In diesem Staat werden die PalästinenserInnen und die Juden/Jüdinnen, die die Beseitigung der Privilegien des Apartheidstaates Israel akzeptieren, gleichberechtigt und friedlich leben können. Eine solche ArbeiterInnenrepublik in Palästina müßte wiederum Teil einer sozialistischen Föderation Nordafrikas und des Nahen Ostens sein.
Soziale Protestbewegung in Israel
9. Die RKOB unterstützt die „Zeltstadt-Bewegung“ in Israel gegen die Preiserhöhungen, die Wohnungsnot und die zunehmende soziale Ungerechtigkeit. Diese ist ein weiteres Beispiel für die internationale Bedeutung der Arabischen Revolution. Gleichzeitig ist es jedoch bezeichnend für den reaktionären, zionistischen Charakter der führenden Kräfte in dieser Bewegung, daß diese bewußt die besondere Armut und Unterdrückung der PalästinenserInnen ignorieren und keine Forderungen zu dieser zentralen Frage aufstellen. Die Bewegung läuft dadurch in Gefahr, offen für eine sozialchauvinistische Stoßrichtung zu werden. Denn die Netanyahu-Regierung wird eventuell eine Minderung der Wohnungsnot in Aussicht stellen – und zwar mittels des Ausbaus der Siedlungen in der Westbank und somit auf Kosten der PalästinenserInnen!
10. Dies zeigt einmal mehr die Notwendigkeit der korrekten marxistischen Einschätzung des Problems des Aristokratismus hin. Das arabische Proletariat, die Jugend und die städtische Armut hat den revolutionären Prozeß im Nahen Osten in Gang gesetzt – aufbauend auf den heroischen Widerstandskampf der palästinensischen Jugend und ArbeiterInnenklasse in mehreren Intifadas sowie des erfolgreichen libanesischen Widerstands gegen die zionistischen Besatzer. Das israelische Proletariat konnte als im Verhältnis zu seinen arabischen Schwester und Brüdern extrem privilegierter Teil eine solche Avantgarderolle nicht spielen Doch es konnte vom „arabische Frühling“ angesteckt und in Bewegung gesetzt werden. Um aber das wichtige Ziel einer tatsächlichen Einheit der arabischen und der jüdischen ArbeiterInnen und Jugendluchen zu erringen, ist ein bewußter Bruch des jüdischen Proletariats mit der Verteidigung des privilegierten Apartheidstaates Israel unabdingbar und die Unterstützung der nationalen Befreiung der arabischen Völker notwendig. In diesem Rahmen ist auch der Kampf für den Aufbau einer neuen, gemeinsamen arabisch-jüdischen Gewerkschaft wichtig, die im Unterschied zu Histadrut auch die arabischen ArbeiterInnen in Israel organisiert und sich für ihre Interessen einsetzt. Ebenso wäre eine tatsächliche ArbeiterInnengewerkschaft – im Unterschied zu Histadrut – nicht einer der größten Kapitalisten des Landes sowie hätte auch keine Verquickung mit dem zionistischen Staat. Solange eine solche tatsächliche ArbeiterInnengewerkschaft jedoch nicht existiert, müssen RevolutionärInnen – dort wo notwendig – innerhalb von Histadrut arbeiten und Forderungen an ihre Führung richten.
11. Die Arabische Revolution muß eine anti-zionistische Stoßrichtung haben, sie muß sich aber gleichzeitig auch gegen jede Form des Antisemitismus richten. Der Antisemitismus ist das reaktionäre Gift von islamistischen und anderen bürgerlichen Kräften, die dadurch die Klassentrennlinie verwischen wollen, welche zwischen den Interessen der arabischen Bourgeoisie und jenen der ArbeiterInnenklasse und aller werktätigen Schichten besteht.
Führungskrise
12. Die RKOB begrüßt das Eintreten von Organisationen in Israel wie der Internationalen Sozialistischen Liga, die eine Unterstützung der Zeltstadt-Bewegung mit einer klaren Absage an den Zionismus, die Solidarität mit den PalästinenserInnen und der Perspektive der Zerschlagung des Staates Israel verbinden. Wir stellen gleichzeitig fest, daß sich die sozialchauvinistische Politik von zentristischen Organisationen wie dem CWI nicht nur in der Unterstützung der reaktionären „British Jobs for British Workers“-Streiks (2009) oder der Verurteilung des Aufstandes der Armen, Schwarzen und MigrantInnen im August 2011 in Britannien ausdrückt, sondern auch in ihrer Weigerung, den nationalen Befreiungskampf der PalästinenserInnen zu unterstützten. Stattdessen befürworten sie eine Zwei-Staaten-Lösung und somit das Fortbestehen der Vertreibung der PalästinenserInnen. Das ist nichts anderes als eine Kapitulation vor der Logik des Zionismus.
13. Das gleiche gilt noch mehr für die Kommunistische Partei Israels und ihre Vorfeldstrukturen. Diese stalinistische Partei trägt das Kainsmal der historischen Unterstützung des Vertreibungskrieges gegen die PalästinenserInnen 1948. Die Sowjetunion unter Stalin anerkannte damals nicht nur umgehend den Apartheidstaat Israel an, sondern lieferte – über die Tschechoslowakei – massenhaft Waffen an Israel, damit dieser effektiver das palästinensische Volks abschlachten und vertreiben könne.
Perspektiven der Arabischen Revolution
14. Die Arabische Revolution befindet sich am Scheideweg. Der Sieg des Aufstandes gegen die Gaddafi-Diktatur in Libyen, der teilweise Übergang der syrischen Revolution in den Bürgerkrieg, die Streiks und die Erstürmung der israelischen Botschaft in Ägypten, die Wiederbelebung der Proteste in Bahrain usw. sind ein untrügliches Zeichen dafür, daß die Arabische Revolution – den Behauptungen von kleinbürgerlichen „marxistischen“ Intellektuellen a la Slavoj Žižek zum Trotz – keineswegs zu Ende ist.
15. Andererseits drohen der ArbeiterInnenklasse und den Unterdrückten in Nordafrika und dem Nahen Osten auch große Gefahren. Das Fehlen einer Führung, die für die revolutionäre Zerschlagung des Kapitalismus und die Errichtung einer ArbeiterInnen- und Bauernrepublik kämpft, wird immer offensichtlicher. Ebenso werden die Versuche der imperialistischen Großmächte, die Revolution unter dem Vorwand der „Demokratie“ und der „Menschenreche“ unter ihre Kontrolle zu bringen und einzudämmen, immer stärker.
16. Um den Klassenkampf voranzubringen und die Revolution weiterzutreiben, wird der Kampf für Lohnerhöhungen und gegen Preissteigerungen, ebenso wichtig sein wie der Kampf für die Enteignung der reichen, korrupten Familien und für die Verstaatlichung der zentralen Industrie- und Dienstleistungsbetriebe sowie der Banken unter ArbeiterInnenkontrolle. Darüberhinaus hat der Kampf für demokratische Rechte – inklusive dem nationalen Selbstbestimmungsrecht, der Beseitigung der Vormachtstellung des Militärs und der Polizei und der Einberufung einer revolutionären verfassunggebenden Versammlung – zentrale Bedeutung. Ebenso gilt es entschlossen gegen jede Form der Einmischung der imperialistischen Großmächte oder ihrer Handlanger (wie z.B. die Türkei) anzukämpfen. NATO – Hände weg von Libyen, Syrien und Iran!
17. Entscheidend wird sein, ob die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten ihre Streiks und Demonstrationen ausweiten und sich in Aktionskomitees in den Betrieben und Stadtteilen – als Vorstufen zu ArbeiterInnen- und Bauernräten – organisieren. Ebenso wichtig – insbesondere in Syrien heute – ist der Aufbau von bewaffneten Selbstverteidigungseinheiten und schließlich ArbeiterInnen- und Bauernmilizen. Das Mittel des Generalstreiks verbunden mit der Perspektive des bewaffneten Aufstandes und der Errichtung einer ArbeiterInnen- und Bauernregierung ist hierbei von zentraler Bedeutung.
18. Die Arabische Revolution ist von ihrem Wesen her international. Ein wichtiger Bestandteil muß dabei einerseits der Kampf für die Öffnung der Grenzen und die wechselseitige Unterstützung des Befreiungskampfes sein. Insbesondere müssen die arabischen RevolutionärInnen mit ihren Waffen ihren Brüdern und Schwestern in Palästina zu Hilfe eilen und die Apartheidmauer – insbesondere jene, die den Gaza in ein Freiluftgefängnis verwandelt hat – niederreißen. Die Arabische Revolution muß ein Signal dafür sein, daß sich auch die palästinensischen ArbeiterInnen, Bauern und Jugendlichen in Aktionskomitees/Räten sowie Volksmilizen organisieren und zu einer dritten Intifada erheben. Eine derartige Welle des bewaffneten Kampfes der arabischen Volksmassen in Nordafrika und dem Nahen Osten, der palästinensischen ArbeiterInnen und Bauern sowie jener jüdischen Brüder und Schwestern, die mit den Privilegien des Apartheid-Staates brechen, könnte Israel den Todesstoß versetzen und die Tür zu einer sozialistischen Föderation aller Völker in der Region eröffnen.
Sozialismus – Revolution – Revolutionäre Partei
19. Nationale Befreiung und soziale Revolution gehen im Nahen Osten Hand in Hand. Das eine kann ohne das Andere nicht verwirklicht werden. Die Rückkehr der palästinensischen Bevölkerung und die Beseitigung der Bedingungen ihrer Armut sind nur möglich, wenn die wirtschaftlichen Reichtümer der Region den Händen der kleinen Minderheit der KapitalistInnen entrissen und im Rahmen der Diktatur des Proletariats mittels einer sozialistischen Planwirtschaft für alle nutzbringend eingesetzt werden. Ein Sozialismus wiederum, der nicht die nationale Befreiung der PalästinenserInnen auf seine Fahnen schreibt, ist kein Sozialismus, sondern Sozialchauvinismus. Eine solche permanente Revolution kann sich nicht nur auf Palästina beschränken, sondern muß die gesamte Region Nordafrikas und des Nahen Ostens erfassen.
20. Die Verwirklichung der Perspektive der permanenten Revolution setzt den zeitgerechten Aufbau einer revolutionären Partei als Teil einer Fünften ArbeiterInneninternationale voraus. Nur eine solche Partei – zusammengesetzt aus hingebungsvollen KämpferInnen für die sozialistische Revolution und auf der Basis eines revolutionären Programms – kann die Massen zum Sieg führen gegen die Imperialisten, die nationale herrschende Klasse und ihrer kleinbürgerlichen Handlanger. Für diese Ziele kämpft die RKOB.
Nieder mit dem Imperialismus, Zionismus und der arabischen Reaktion! Sieg der Arabischen Revolution! Für die permanente Revolution!
Für die Zerschlagung des Apartheidstaates Israel! Für eine weltliche, arabisch-jüdischen ArbeiterInnen-Republik in ganz Palästina!
Für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens und Nordafrikas!
Als Hintergrund für die RKOB-Analyse der Arabischen Revolution verweisen wir auf unser kürzlich veröffentlichtes Buch „Die halbe Revolution. Lehren und Perspektivendes arabischen Aufstandes“ Es kann über unsere Kontaktadressen (www.rkob.net bzw. e-mail: aktiv@rkob.net) bestellt werden