Stellungnahme der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT), 26.02.2015, www.thecommunists.net
1. Die Verhandlungen mit der EU (-Troika) sind zu einem ersten Abschluß gekommen. Die Parteiführung rund um Tsipras hat erneut üblen Verrat an den Interessen der ArbeiterInnen und Armen Griechenlands begangen. Während SYRIZA an die Macht kam mit dem Versprechen, die bisherige neoliberale Sparpolitik zu beenden, hat sie nun mit der EU eine Fortsetzung ebendieser beschlossen. Entgegen ihren Wahlversprechungen hat sie sich gegenüber der EU nun verpflichtet, keine der bisherigen Privatisierungen und andere Sparmaßnahmen der neoliberalen Vorgängerregierung einseitig aufzuheben, wenn sie nach Einschätzung der EU, EZB und IWF „negative Konsequenzen für das Budget, das Wirtschaftswachstum und die finanzielle Stabilität“ haben. Während die SYRIZA-Führung vor dem 25. Jänner die weitgehende Streichung der Schulden versprach, erkennt sie nun die Rechtmäßigkeit aller Schulden an und verpflichtet sich zur Rückzahlung dieser. Und auch wenn die „Troika“ jetzt umbenannt wurde in „Institutionen“, so bleibt das Wesentliche bestehen: die griechische Regierung darf keine eigenständigen Maßnahmen setzen, sondern muss ihr gesamtes Wirtschafts- und Sozialprogramm der EU zur Genehmigung vorlegen.Darüberhinaus hat die Tsipras-Führung sogar die Privatisierung des staatlichen Stromversorgers PPC und des Netzbetreiber ADMIE an private Investoren zugesagt. Damit kommen sie dem von Internationalen Währungsfond (IWF), Europäischer Zentralbank und die für Griechenland zuständigen EU-Kommission geforderten harten Privatisierungskurs nach. Die imperialistischen Hyänen, Konzerne aus China und Italien, stehen schon in den Startlöchern um sich gierig auf PPC und ADMIE zu stürzen. Der Verkauf eines Teils des Staatsvermögens, des sogenannten „Tafelsilbers“, ist in Wirklichkeit nur der Anfang einer Privatisierungswelle, die von der EU gefordert und von Tsipras vorbereitet wird. (1) Die vereinbarte Erweiterung der finanziellen Unterstützung durch die EU in Höhe von 240 Milliarden Euro ist ein mehr als lohnenswerter Einsatz für die imperialistischen Raubtiere. (2) Das zeigte sich auch im Anstieg der Aktienwerte Griechenlands um 10% am Abend nach der Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses. (3)
2. Die Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT) hat in diversen Stellungnahmen – auch vor dem Wahlsieg am 25. Jänner – vor dem drohenden Verrat der Führung von SYRIZA gewarnt. (4) Die breite Unterstützung in breiten Teilen der Bevölkerung für die von SYRIZA geführte Regierung – Meinungsumfragen sprechen von 65-80% (5) – ist auf deren Wahlversprechen zurückzuführen, die einen scharfen Bruch mit dem von der EU geforderten Kürzungen und Privatisierungen beinhalteten. Die Warnungen der RCIT, keine falschen Illusionen in diese Wahlversprechen und in den wahren Charakter der SYRIZA-Führung zu setzen, erweisen sich nicht nur angesichts des aktuellen Ergebnisses der EU-Verhandlungen berechtigt. Unsere Warnungen werden auch durch die verbrecherische Volksfrontpolitik SYRIZAs, namentlich der Koalition mit rassistischen Rechtspartei ANEL wie auch der kürzlich erfolgten Wahl eines führenden Politikers von Nea Dimokratia (ND), der rechts-konservativen Hauptpartei der Bourgeoisie, als neuen Präsidenten Griechenlands mehr als bestätigt. Prokopis Pavlopoulos, der von SYRIZA nominierte Präsidentschaftskandidat, war fünfeinhalb Jahre lang Innenminister unter der von Kostas Karamanlis geführten ND-Regierung. Die Regierung Karamanlis wurde für zahlreiche Skandale und Korruptionsvorfälle bekannt und ermöglichte der sozialdemokratischen PASOK einen fulminanten Wahlsieg unter dem Motto der Einführung einer Reichensteuer im Jahr 2009. Die Führung unter Tsipras lässt wahrlich keine Gelegenheit aus, der Bourgeoisie Griechenlands wie auch der imperialistischen EU ihre Bereitschaft zum Lakaiendienst unter Beweis zu stellen.
3. Der verbrecherische Kurs der Tsipras-Führung hat bisher den linken Flügel in SYRIZA nur leicht erschaudern lassen. Bisher hat die „Linke Plattform“, die ca. 1/3 der SYRIZA-Abgeordneten im Parlament stellt, die Schandtaten der Parteispitze wie z.B. die Koalition mit den rechten Rassisten oder die Wahl eines konservativen Präsidenten durch ihrer Zustimmung im Parlament mitgetragen. Mittlerweile wird jedoch der Unmut unter den SYRIZA-AktivistInnen so groß, dass er sich auch in Konflikten in den höchsten Parteikreisen niederschlägt. Die Worte des SYRIZA-Abgeordneten Manlis Glasoz, einem mittlerweile 94-jährige ehemalige Widerstandskämpfer gegen die Nazis, spiegeln die große Enttäuschung bei vielen AktivistInnen wider: „Ich, von meiner Seite aus, entschuldige mich bei der griechischen Bevölkerung dafür, dass ich Illusionen in sie unterstützt habe (Anm.d.Red.: Illusionen in die SYRIZA Führung). Bevor wir in die falsche Richtung weitergehen, bevor es zu spät ist, müssen wir reagieren. Vor allem die Mitglieder, die Freunde und Förderer von SYRIZA haben in dringend einzuberufenden Versammlungen auf allen Parteiebenen zu entscheiden, ob sie diese Situation so weiter akzeptieren wollen. Manche Leute sagen, dass in einer Vereinbarung auch Zugeständnisse gemacht werden müssen. Aber es ist nunmal ein Prinzip, dass es zwischen dem Unterdrücker und den Unterdrückten keine Kompromisse geben darf, wie es auch keine Kompromisse zwischen dem Sklaven und dem Tyrann geben darf. Freiheit ist die einzige Lösung.“ (6)
4. Gerade gegen das neue Abkommen mit der EU regt sich heftiger Widerstand. Selbst Finanzminister Yanis Varoufakisgab bei Interviews bekannt, dass der „...Ausverkauf des Tafelsilbers zu Schleuderpreisen und zu Bedingungen, die nicht zur Entwicklung unserer Wirtschaft führen, beendet werden [muss].“ Der Minister für Energie, Panagiotis Lafazanis, beendete sogar das Bieterverfahren für den staatlichen Energiekonzern PPC. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass es unter anderem Finanzminister Varoufakis war, der vor der „radikalen Utopie“ warnte, den Kapitalismus abschaffen zu wollen. Laut Varoufakis sollte vielmehr der Grundsatz gelten: „...ein widerwärtiger europäischer Kapitalismus, dessen Implosion, trotz aller Übel, unter allen Umständen verhindert werden muss.“ Und weiter: „Wenn dies bedeutet, dass wir, die richtigerweise unberechenbare Marxisten heißen, versuchen müssen, den europäischen Kapitalismus vor sich selbst zu retten, dann sei es so.“(7) Selbst von diesen höchsten Kreisen in der Partei werden jetzt kritischere Töne laut. Doch diese „linkeren“ Spitzenpolitiker streiten um Details des Ausverkaufs, denn grundsätzlich stellen sie die Zusammenarbeit mit der imperialistischen EU und die Fortsetzung der Sparpolitik keineswegs in Frage. Kein Wunder, immerhin gilt es angeblich den Kapitalismus vor sich selbst zu retten und vor seinem Untergang zu bewahren. Wir sehen wie sich ein angeblich „unberechenbarer Marxist“ als berechenbare Stütze des Kapitalismus erweist.
5. zentrale Aufgabe ist jetzt der Aufbau eines linken, revolutionären Flügels an der Basis, der konsequent gegen die Anbiederungspolitik der Parteiführung an die Interessen der Bourgeoisie Griechenlands und der EU kämpft. Ein solcher linker Flügel sollte sich aus all jenen ehrlichen AktivistInnen in SYRIZA zusammensetzen, die deren Massenverankerung nützen wollen um eine wirklich proletarische Politik umzusetzen. Ein solcher linker Flügel sollte keine scharfe Kritik und konsequente Politik gegen den Kurs der Parteiführung scheuen. Abgeordnete eines solchen linken Flügels müssen gegen alle arbeiterfeindlichen Maßnahmen stimmen. Der Aufruf von Manlis Glasoz zu Versammlungen der Parteibasis sollte aufgegriffen werden, um dort den verräterischen Kurs der Parteiführung abzustrafen. Es ist höchste Zeit einen konsequent linken Flügel zu schaffen, der willens ist mit der Parteiführung zu brechen und mit allen revolutionären Kräften innerhalb und außerhalb von SYRIZA eine neue, wirklich proletarische, und damit eine konsequent revolutionäre ArbeiterInnenpartei aufzubauen.
6. Um einen solchen linken Flügel auf ein starkes Fundament zu stellen, sollten revolutionäre AktivistInnen in SYRIZA die politisch fortgeschrittensten Teile der Parteibasis auf der Grundlage einer Reihe von Forderungen gegen die Parteiführung von Tsipras organisieren. Nur mittels einer solchen Einheitsfrontpolitik, die auf den Aufbau einer revolutionären Alternativen abzielt, können schwere Enttäuschung in breiten Teilen der Bevölkerung Griechenlands verhindert werden. Ansonsten besteht die Gefahr, daß es zu einem massiven Erstarken rechter und faschistischer Kräfte, wie der „Goldenen Morgenröte“, kommt. Nur auf diesem Weg kann in den Reihen von SYRIZA die Spreu vom Weizen getrennt werden. Denn in einem solchen Prozeß wird sich zeigen, wer die Bourgeoisie Griechenlands und der EU an der Macht halten möchte und wer sie in Wort und Tat ihrem Platz auf dem Misthaufen der Geschichte zuweist. Dabei darf sich ein solcher revolutionärer Flügel nicht von falschen Freunden aus dem links-reformistischen und zentristischen Lager beirren lassen, die in Wirklichkeit Freunde der Führung Tsipras sind und versuchen über den Verrat mit beschwichtigenden Worten hinwegzutäuschen! Nur auf diesem Weg kann die ArbeiterInnenavantgarde Griechenlands als revolutionäre Speerspitze der europäischen ArbeiterInnenklasse eine neue Ära der proletarischen Machtergreifung, den Beginn einer sozialistischen Revolution einläuten!
Kämpft gemeinsam mit der RCIT für folgende Forderungen:
* Sofortiger Abbruch aller Verhandlungen mit der EU und allen imperialistischen Einrichtungen (IWF, EZB, etc.) und Auflösung aller bisherigen Vereinbarungen! Vorbereitung eines umgehenden Austrittes Griechenlands aus der parasitären, imperialistischen EU!
* Für eine breite europaweite Solidaritätsbewegung mit unseren griechischen Klassenbrüdern und –schwestern, organisiert von der ArbeiterInnenbewegung Europas! Eine solche Solidaritätsbewegung muss sich in Streiks bis hin zum Generalstreik für eine sofortige Streichung aller Schulden Griechenlands einsetzen! Statt der imperialistischen EU gilt es für die Schaffung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu kämpfen!
* SYRIZA: Brecht die Koalition mit der rassistischen ANEL und beendet endlich alle Formen der Volksfrontpolitik, wie z.B. die Unterstützung von Kräften der bürgerlichen ND und anderer nicht-proletarischer Parteien!
* Für den Aufbau von Aktionskomitees zur Vorbereitung des Abwehrkampfes gegen die Fortsetzung der Memorandumspolitik! Für Massendemonstrationen, Streiks bis hin zum Generalstreik! Für Betriebsbesetzungen!
* Für eine ArbeiterInnenregierung, gestützt auf Aktionskomitees in Betrieben, Ausbildungseinrichtungen, proletarischen Stadtteilen und Dörfern der Volksmassen! Alle ArbeiterInnenparteien und Gewerkschaften (GSEE, ADEDY, PAME, KKE, SYRIZA, DIMAR und Antarsya) müssen eine solche Regierung unterstützen!
* Gegen jede weitere Privatisierung und für die Rücknahme aller bisher vorgenommenen Privatisierungen! Enteignet stattdessen umgehend die Superreichen Griechenlands, namentlich auch die Besitzer der großen Reedereien, sowie auch der imperialistischen Konzerne! Überführt die Konzerne in Staatsbesitz und stellt sie umgehend unter Kontrolle der Beschäftigten! Schafft eine einzige Staatsbank, die unter Kontrolle der Beschäftigten steht!
* Zerschlagt sämtliche Stiftungen und andere Steuerfluchtoasen und treibt die fälligen Steuern der superreichen Gauner ein! Gerade die Schließung der Steueroasen im Ausland muss von der ArbeiterInnenbewegung in ganz Europa mitumgesetzt werden!
* Schaffung von bewaffneten Selbstverteidigungseinheiten der ArbeiterInnenklasse, um sich im Zuge von Generalstreiks und Massenmobilisierungen gegen die zu erwartende reaktionäre Mobilisierung der Herrschenden und ihrer rechten und rechtsradikalen Handlanger verteidigen zu können!
Um all diese Forderungen umzusetzen gilt es eine revolutionäre Partei in Griechenland zu schaffen und auch an der Basis von SYRIZA dafür zu kämpfen. Eine revolutionäre Partei muss geschaffen werden, die bereit ist einen solchen Weg aus der kapitalistischen Krise anzuführen. Den unblutigsten und erfolgreichsten Weg: den Weg des bewaffneten Aufstandes der Arbeitermassen. Den Weg der proletarischen, der sozialistischen Revolution in Griechenland und in Folge in ganz Europa!
Wir appellieren an alle ehrlichen Revolutionärinnen und Revolutionäre in Griechenland und darüberhinaus, die einen solchen Kurs befürworten und umsetzen wollen: Schließt euch der RCIT an!
(1) Left wing nagging on Greek deal, Tsipras walks tightrope, 25 Februar 2015, http://www.thetoc.gr/eng/politics/article/left-wing-nagging-on-greek-deal-tsipras-walks-tightrope
(2) Gabriele Steinhauser: Doubts Shadow Greek Bailout, Wall Street Journal, 25 Februar 2015, http://www.wsj.com/articles/greek-bailout-extension-approved-by-eurozone-finance-ministers-1424764737
(3) ebenda
(4) Siehe dazu zahlreiche Stellungnahmen der RCIT wie “Greek Elections: SYRIZA Wins … and Forms an Alliance with Reactionary Racists!, www.thecommunists.net/worldwide/europe/greece-syriza-anel”, “Greece: Which perspectives after SYRIZA's election victory?,www.thecommunists.net/worldwide/europe/after-the-greek-elections”, “Elections in Greece: Vote SYRIZA but Don’t Trust the Tsipras Leadership!, www.thecommunists.net/worldwide/europe/greece-election-statement”, “Greece: The lack of leadership. Perspectives of the revolution! www.thecommunists.net/worldwide/europe/greece-revolution-or-tragedy”, und viele mehr unter www.thecommunists.net
(5) Isidoros Diakides: Greek drama: A preliminary review of the first four weeks of the SYRIZA government, http://links.org.au/node/4305
(6) Manolis Glezos: Glezos denounces Greek loan agreement as “illusion”, 22 Februar 2015, http://roarmag.org/2015/02/glezos-greek-bailout-illusion/
(7) Yanis Varoufakis: How I became an erratic Marxist, www.theguardian.com/news/2015/feb/18/yanis-varoufakis-how-i-became-an-erratic-marxist