1. Oktober 2017: Entscheidung in Katalonien

Stellungnahme zum Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens

Artikel von Manfred Maier (RCIT Deutschland), 27.09.2017, www.diekommunisten.net 

 

Am 1. Oktober wird die katalanische Regierung ein Unabhängigkeitsreferendum durchführen. Wenn man durch die Straßen Barcelonas geht, sieht man an Fenstern und Balkonen die katalonischen Farben, Fahnen, usw.

 

Hunderttausende haben am 11.9.17 die Forderung nach Unabhängigkeit auf den Straßen Barcelonas unterstützt, und dies zum wiederholten Male mit Massenbeteiligung. Es war nicht die erste Demonstration dieser Art in den letzten Jahren. Je mehr die spanische Zentralregierung die Autonomie der Katalanen beschneidet, umso heftiger wird der Drang nach Unabhängigkeit in Katalonien.

 

Die spanische Regierung läuft Sturm gegen die am 6. September getroffene Entscheidung des katalanischen Parlaments. Der spanische Verfassungsgerichtshof suspendierte die Entscheidung. Dabei trägt die spanische Regierung die volle Verantwortung für die Zuspitzung der Lage, da sie die Situation durch jegliche Verweigerung von Verhandlungen und Zugeständnissen herbeigeführt hat.

 

Die Presse, auch die in Katalonien erscheinende, übernimmt weitestgehend die Regierungspropaganda gegen die Unabhängigkeitsbewegung. Die EU tritt eindeutig gegen die Unabhängigkeit der Katalanen ein und stellt sich damit auf die Seite der spanischen Zentralregierung.

 

Es gab in der Frage der Unabhängigkeit Kataloniens auch eine massive Einmischung deutscher Unternehmen. Die Führer der Multis wie Volkswagen (VW/SEAT), BASF und anderer in Katalonien produzierender Unternehmen drohen offen der Unabhängigkeitsbewegung mit Abzug von Produktion und Abbau von Arbeitsplätzen.

 

Die Positionen der katalanischen und spanischen Parteien 

 

Wir wollen nicht die Positionen aller Parteien detailliert analysieren sondern nur die wichtigsten kurz behandeln. In Klammern haben wir die Ergebnisse der Wahlen zum Regionalparlament Kataloniens vom September 2015 erwähnt. 

 

- Die PSOE und ihr katalanischer Ableger PSC wollen die Umwandlung Spaniens in einen Bundesstaat (12,72%). PSC lehnt die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen ab, während die PSOE auch gegen das geplante Referendum ist. 

 

- Die katalanische UDC (Christdemokraten) ist für ein Referendum und das Recht, selbst zu entscheiden (2,51 %).

 

- Junts pel Sl, ein Bündnis aus CDC (Liberale), ERC (links und katalanisch) und anderen Kräften: Für Referendum und für die Unabhängigkeit (39,59 %).

 

- Die CUP, eine antikapitalistische, katalanische Partei ist gegen den EU-Verbleib Kataloniens als unabhängiger Staat (8,21%).

 

- „Catalunya Sí que es Pot“ (CSP) ist ein Bündnis, bestehend aus der katalanischen Podemos, Ökosozialisten und dem katalanischen Ableger der Linkspartei Izquierda Unida. Der Vorsitzende von Podemos ist zwar für das Referendum, aber gegen die Unabhängigkeit. Der katalanische Spitzenkandidat des Bündnisses aber ist dafür (8.94%).

 

- Die katalanische PP (Partido Popular) lehnt die Volksbefragung ab und ist gegen die Unabhängigkeit (8,49%).

 

- Die Ciutadans (neoliberal) ist gegen die Unabhängigkeit Kataloniens (17,9%).

 

Wohin soll der Weg gehen?

 

Angesichts der lebendingen Kampftradition, der politischen Organisiertheit und Mobilisierungskraft der Katalanen sowie der Popularität ihrer Unabhängigkeitsbewegung rufen wir zur Teilnahme am Referendum sowie zur Befürwortung der Unabhängigkeit Kataloniens auf. 

 

Unsere Perspektive für ein unabhängiges Katalonien ist allerdings weder ein kapitalistischer Kleinstaat, noch eine EU-Mitgliedschaft parallel zu Spanien. 

 

Die Organisationen der Arbeiterklasse müssen jedweden Chauvinismus bekämpfen und für eine Iberische Sozialistische Union innerhalb der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa eintreten. In einer solchen sozialistischen Union werden die Katalanen (wie auch die Basken) das uneingeschränkte Recht haben ihren eigenen Staat frei von jeglicher Diskriminierung anderer Nationen zu führen, wenn sie das wollen. 

 

Der Aufbau einer Revolutionär-Kommunistischen Partei in Katalonien, aber auch im gesamten Spanien sowie in Euzkadi (Baskenland) muss in Angriff genommen werden. Das ist eine zentrale und unverzichtbare Aufgabe. 

 

Die Organisationen und AktivistInnen, die eine solche Partei aufbauen wollen, müssen sich um ein revolutionäres Programm gruppieren, das folgende Eckpunkte umfasst: 

 

- Gegen die Austeritätspolitik der EU und die daraus abgeleiteten Sparprogramme in Katalonien. Diese Politik wurde von Kräften des katalanischen Parlaments unterstützt und umgesetzt - auch von den Kräften, die jetzt Pro-Unabhängigkeit sind. 

 

- Die Regierung eines unabhängigen Kataloniens muss die Banken zu einer staatlichen Zentralbank zusammenfassen und unter Kontrolle der ArbeiterInnen stellen, der Geldverkehr muss unter Arbeiterkontrolle gestellt werden. 

 

- Alle Großbetriebe müssen verstaatlicht und unter Arbeiterkontrolle gestellt werden. 

 

- Die Guardia Civil und andere Polizeitruppen müssen aufgelöst und durch Selbstverteidigungsgruppen der ArbeiterInnen und Unterdrückten ersetzt werden. 

 

- Das Justizwesen muss durch von der Arbeiterbewegung eingesetzte Geschworenengerichte ersetzt werden. Die Strukturen der Justiz der konstitutonellen Monarchie Spaniens sind zutiefst vom Einfluß des Frankismus und des spanisch-kastilischen Zentralstaats durchdrungen und dürfen nicht von einem unabhängigen Katalonien übernommen werden. 

 

- In Katalonien und ganz Spanien muss ein Schulwesen aufgebaut werden, dass in voller Gleichberechtigung die Sprache der verschiedenen Volksgruppen des Landes sowie aller anderen Sprachen von Migrantengruppen anbietet. 

 

- Staat und Kirche müssen rigoros getrennt und alle Institutionen der Monarchie abgeschafft werden. 

 

- Ein freier, katalanischer Arbeiterstaat wird Asylsuchende, die wegen Krieg oder wirtschaftlicher Not flüchteten, eine sichere Heimat bieten. Für das Bleiberecht haben allein in Barcelona in den letzten Jahren Hunderttausende demonstriert. Es waren die größten PRO-Refugee Demonstrationen in ganz Europa. Der spanische Zentralstaat hat auch diese Bewegung massiv bekämpft. 

 

- Nach der Erklärung der Unabhängigkeit muss unmittelbar eine verfassungsgebende Versammlung einberufen werden, wo in offener Debatte die drängendsten Fragen der weiteren Entwicklung des unabhängigen Staates diskutiert werden. 

 

Revolutionäre Kommunisten treten für den Aufbau eines Arbeiterstaates ein, verbündet mit den Unterdrückten Spaniens.  

 

Die Lage ist ernst

 

Wenn am 01.10. über die Unabhängigkeit Kataloniens abgestimmt wird, ist auch mit gewaltsamen Attacken der spanischen Zentralregierung zu rechnen. So werden die Bürgermeister, die das Referendum unterstützen, vom Verfassungsgericht nach Madrid vorgeladen, als „Zeugen“ für die Mißachtung der „spanischen Verfassung“. Ihnen wird mit strafrechtlicher Verfolgung im Falle der Unterstützung des Referendums gedroht.

 

Die spanische Regierung wird nicht davor zurückschrecken, mit Gewalt gegen die Wahllokale des Referendums vorzugehen. Die Massen in Katalonien werden das beantworten müssen mit der Waffe des politischen Massenstreiks und mächtiger Demonstrationen, werden aber auch ihr demokratisches Referendum militant verteidigen müssen. 

 

Für die EU wäre die Abtrennung Kataloniens ein Desaster, daher wird sie dem spanischen Staat den Rücken stärken. In jeglicher Hinsicht. 

 

Die Katalanen, die nach Unabhängigkeit streben, haben unsere volle Unterstützung verdient.

 

 

 

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