Von Mario Mayer
Dass Berlusconi die Reichensteuer kippen ließ, ist eine absolute Frechheit. Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass er Scheisse baut! Korruption als begrifflich erfassbare Dimension hat der Regierungschef vermutlich schon von Kindesbeinen an erfasst. Wie könnte es anders sein, da er doch in ziemlich gehäufter Form Staatsanwälte, Richter und Parlamentarier an seiner Seite hat. Er steckt ihnen Geld zu, eine Hand wäscht die andere und er glaubt allen Ernstes, dass die Welt damit „wieder“ in Ordnung wäre – Was für ein Trugschluss!
Berlusconi ändert nach Belieben Gesetze und setzt sie dann in seiner egozentrischen Art im Parlament durch, Schmieröl inklusive. Für ihn ist unsere Klasse „Merde“ (Scheisse), nur er ist es nicht. Interessant zu beobachten ist auch, wie sein Compagnero von der Lega Nord, Umberto Bossi, ihn in seiner Art fast schon (oder mehr) arrogant zu übertreffen versucht. Solches Verhalten kennen wir ja schon von den frühen 1990er-Jahren zwischen Franz Vranitzky und Jörg Haider.
Berlusconi und Korruption
Inzwischen gibt es sogar etliche Unternehmer, die die italienischen Politiker kritisieren, eben wegen der inzwischen schon weithin bekannten Korruption. Normalerweise laufen Deals ja nicht weniger korrupt, nur halt stiller und heimlicher ab. Statt in den Häf’n zu wandern, leisten sie sich aber sogar tolle Feten und Swinger Club Partys en masse (in Massen).
Diesbezüglich ist - wieder - ein Gerichtsverfahren anhängig, dass die Schuldfrage Berlusconis bezüglich des Vorwurfs der Unzucht mit Minderjährigen (die Rede ist von der Marokkanerin Karim El-Maraough, alias „Rubi Rubacouri“) klären soll. Ob dabei eine tatsächliche „Rechtsprechung“ (wenn man den Begriff in diesem Zusammenhang in ein positives Konstrukt verwandelt) herauskommt, darf bezweifelt werden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Berlusconi so gut wie jeden Bezug zur Realität verloren hat. Wäre ich Richter, würde ich ihn in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einweisen lassen. Es kann doch nicht sein, dass die arbeitende Mehrheit der Italiener für die Blödheit der Herren Berlusconi und Bossi büßen muss?
Aber ich habe an dieser Stelle eine wichtige Ergänzung hinzuzufügen. Nämlich: Die Schuldenkrise ist bekanntlich ein europaweites Phänomen und kein italienisches Spezifikum. Man braucht sich nur Griechenland zuwenden. Aber so eine – vor allem in der Wirtschaft – einflussreiche Person wie Berlusconi arbeitet in erster Linie mit seinen Fingern – er ist nämlich ein Ganove wie er im Bilderbuch steht. Wie es auch die anderen Großkapitalisten und Superreichen sind.
Nun komme ich auf weitere Kapitel Berlusconi’scher Machenschaften zu sprechen: seine Wirtschaftspolitik. Er hat sich in diesem Bereich eine gewaltige Rückendeckung für seine Politik geschaffen. Man sagt wohl Lobbyismus dazu. Er hat einen Medienkonzern, einen Autokonzern, und vieles mehr. Wie gesagt: Er ist da wohl kaum die Ausnahme in der bürgerlichen Politik. Aber er macht – im Gegensatz zu den anderen Ganoven des Kapitals – mehr Schlagzeilen.
Die Folgen für Italien sind weitreichend, teils dramatisch. Finanz- und Wirtschaftskrise – zwei Schlagwörter auf den ersten Blick – aber wie zu lösen?
Sparpaket
Sicher ist zunächst einmal, dass eine hohe Reichensteuer ein erster Schritt wäre. Nur nervt mich – nicht nur in Italien – die Illusionen darüber. Die Regierung in Italien hat offensichtlich vor, ihren „Blut- und Tränenplan“ trotz massiver Proteste durchzusetzen. Wenn eine Reichensteuer kommt, so wird sie sehr klein ausfallen und die Ausbeutung der arbeitenden Menschen Italiens nicht vermindern. Die politische Linke im Land ist punkto richtiger Kampfmaßnahmen kollektiv in eine Paralyse, oder besser gesagt einen Unwillen, gefallen. Die Gewerkschaft CGIL, die aber nicht unbedingt dem radikalen, linken Lager zuzurechnen ist, macht etliche Aktionen, aber da es sich dabei nie um einen unbefristeten Generalstreik handelt, machen sie ebenso nur inkonsequente Kampfmaßnahmen und letzten Endes Verrat an den ArbeiterInnen.
Im Arbeitsrecht und in den sozialen Bereichen sind die Einschnitte am Gravierendsten. Hier hätte die herrschende Klasse wohl mehr Fingerspitzengefühl gebraucht, um weniger Widerstand hervorzurufen. Doch auf Grund der tiefen Krise des Kapitalismus hat sie da wenig Möglichkeiten, Angriffe in Watte zu packen. Erleichterungen gibt es für die ArbeiterInnenklasse keine. Das bedeutet, dass der Wind der Demonstrationen und Generalstreiks in einem Umsturz des kapitalistischen Systems, sprich einer sozialistischen Revolution, münden sollte. Alle anderen erkämpften Reformen können sehr rasch wieder aufgehoben werden!
Im öffentlichen Bereich droht durch den Abbau eine „Katastrophe“ sagen sogar einige Kapitalisten. Sie fürchten nämlich einen Verlust der „öffentlichen Ordnung“, sprich der Kontrolle über die Arbeiterklasse. Was aber meiner Meinung nach natürlich gar nicht so schlecht wäre. Dann könnte die italienische Bevölkerung endlich das Zepter selbst in die Hand nehmen.
Einheit im Klassenkampf
Mittel und Wege zur Bekämpfung der Krise sind dabei eigentlich deutlich vorgezeichnet. Zum einem müssen sämtliche Strukturen der Revolutionsbewegung optimiert werden, indem hier vor allem Frauen, Jugendlichen, MigrantInnen und ArbeiterInnen in prekären Arbeitsverhältnissen stärker eingebunden werden. Die Führung der Bewegung sollte unter einer revolutionären Partei laufen, die den Weg aus der kapitalistischen Krise zum Sozialismus hin kennt. Natürlich muss die organisierte ArbeiterInnenbewegung Aktionen wie einen unbefristeten Generalstreik ausrufen. Dazu fordern wir insbesondere die Führung der größten Gewerkschaft CGIL auf. Vor allem der Metallergewerkschaft, dem Kern der Protestierenden kommt, hier besondere Bedeutung zu.
Das Gebot der Stunden lautete die Einheit im Klassenkampf wiederherzustellen (Zurückdrängen der rechten oder rechtsextremen Kräfte, enttarnen der Pseudo-Linken) sowie die Bildung von gemeinsamen Aktionskomitees gegen die Krise, die eine gleichberechtigte Teilnahme von Jugendlichen, Arbeitslosen und MigrantInnen wie auch Roma beinhalten. Hier ist die Ankündigung von weiteren Protesten in der Tat umzusetzen, um die Regierung einem noch stärkeren Druck als bisher auszusetzen. Ich sage es so: Ein Fisch stinkt vom Kopf, nicht vom Fuß. Eine klassenunabhängige Meinung zu haben – eine eigene proletarische – ist gerade in Italien sehr wichtig, aber eine politische Kampfkraft zu entwickeln mindestens ebenso. Zwar ist es Berlusconi in den siebzehn Jahren seiner Amtszeit gelungen, gewissermaßen auch eine über Teile des Großkapitalis hinausgehende Unterstützung in Teilen der Bevölkerung aufzubauen (Kleinbürgertum, etliche Freiberufler, aber auch ältere Wähler, verwahrloste Jugendliche, die in Berlusconi so eine Art Gott sehen),. Jedoch basiert diese Art Unterstützerfront größtenteils auf medialer Inszenierung. Die Krise jedoch entzieht Berlusconi das Vertrauen dieser Klientel, wie auch Teilen des Großkapitals seine Eskapaden schon leid sind.
Der ex-Faschist und langjährige Berlusconi-Verbündete Gianfranco Fini nutzte dieses Manko schnell zu seinem Vorteil aus und etablierte innerhalb einer stärker werdenden Opposition einen „Dritten Block“, der als konservativer Block ähnlich dem österreichischen „Bündnis Zentrum Österreich“ gewisse Belange wie etwa finanzpolitische Interessen besser vertreten soll um etliche der Kapitalisten zu beruhigen.
Denn die Krise trifft natürlich auch die herrschende Klasse. Die dauerhafte Paralyse der Lohnabhängigen erscheint als zwanghafte Logik dieses systemimmanenten Faktors. Doch auch die herrschende Klasse Italiens bekommt innere Risse.
Linke Alternative?
Die etablierte „Linke“ in Italien ist ohne politisches Rückgrat. Was heute gesagt oder gefordert wird gilt morgen bereits als verpönt. Viele der Reformisten zum Beispiel behaupten allen Ernstes, dass etwa der „europäische Rettungsplan“ mit EU-Geldern finanziert diesen Staat finanziell wieder ins Lot bringen könnte, ohne dass die ArbeiterInnen gerupft werden. Solch „europäisches Denken“ – ohne Einschränkung unternehmerfreundlich – gehört mittlerweile zum Standardrepertoire in der reformistischen „Linke“. Das spielt Berlusconi natürlich Letztendes in die Hände.
Hier ist interessant anzumerken, dass immer mehr Lohnabhängige und immer mehr politisch Aktive das Gefühl haben, sich vor allem durch das System Berlusconi im Kreise zu drehen. Dabei ist nicht die Person Berlusconi, so machtgeil und korrupt sie sein mag, sondern die herrschende Klasse, die Kapitalisten die Ursache. Auswege gebe es genug, aber dank der trügerischen Politik der Reformisten wird ernsthafter Widerstand durch „Gutmütigkeit“ ersetzt, während Korruption fast schon mit Redlichkeit gleichgesetzt wird. Die arbeitenden Menschen sollen ihren Frust in kurzfristigen Streikaktionen ablassen, bei denen die Bürokraten nicht Gefahr laufen ihre angenehmen Posten zu gefährden.
Was die Mehrheit der radikal linken Kräfte angeht, haben sie sich schon längst entschieden klassenkämpferische Aspekte komplett in den Hintergrund treten zu lassen. Eine neue, revolutionäre Partei der ArbeiterInnen und Unterdrückten wäre also auch in Italien mehr als wichtig aufzubauen. Dann kann auch die Perspektive der sozialistischen Revolution auch für breitere Teile der ArbeiterInnen und Unterdrückten greifbar werden. Und das ist mehr als nur mein Wunschtraum, weil es möglich ist.