Von Nina Gunić
Noch etliche Monate wird es dauern, bis die Kernschmelze im Reaktor Fukushima I endlich unter Kontrolle der Einsatzkräfte gerät. Bisher verlaufen die hochgradig gesundheitsschädigenden Einsätze
der ArbeiterInnen am Reaktor nicht in dem Maß erfolgreich, wie es notwendig wäre. Zudem gibt es keine wirklich glaubhaften Einblicke in die Einsatzmaßnahmen und deren Erfolgswert.
Die Betreiberfirma des AKW, die Firma Tepco, hat so zum Beispiel vor einigen Wochen bekanntgegeben, dass die undichte Stelle im Reaktor, die Tonnen an verseuchten Wasser ins Meer fließen ließ,
erfolgreich bei einem Einsatz abgedichtet wurde. Seitdem aber hat sich der Strahlenwert des Ozeans im Umfeld des Reaktors von einem 1850fach erhöhten Strahlenwert auf einem 3355fachen Wert fast
verdoppelt! Da die Verstrahlung, insbesondere der Wert des radioaktiven Jods 131 grundsätzlich Tag für Tag abnehmen müsste, lässt diese massive Erhöhung der Verstrahlung auf weitere undichte
Stellen und damit tausende Tonnen verseuchtes Wasser, das nach wie vor ins Meer fließt, schließen. Entweder lügt Tepco mit voller Absicht, oder – nicht weniger beunruhigend –, Tepco weiß gar
nicht wo genau diese weiteren undichten Stellen sind.
Während des gesamten Vorfalls rund um die Reaktorkatastrophe in Fukushima, hat die EU eine beschämende Rolle eingenommen. Ganz im Sinne der kapitalistischen Wirtschaftsinteressen wurden die
erlaubten Strahlenwerte für Lebensmittel und andere Produkte, die aus Japan in die EU eingeführt werden, erhöht. Dies wurde getan mit der Erklärung, den wirtschaftlichen Beziehung zu Japan nicht
wegen dem Reaktorunfall schaden zu wollen. Was kümmert es schon, höher verstrahlte Lebensmittel den Menschen in der EU als unbedenklich vorzusetzen, solange die KapitalistInnen Japans und der EU
dann auch weiterhin dicke Freunde bleiben können! Hält man sich diese menschenverachtende Herangehensweise vor Augen erscheint es auch weniger absurd, dass Präsident Sarkozy ein Loblied auf den
klimafreundlichen Atomstrom bei seinem „Solidaritätsbesuch“ in Japan nach Bekanntwerden der Katastrophe in Fukushima anstimmte.
Die Frage des Atomausstieges
Angesichts der Worte Sarkozys ist es nicht verwunderlich, dass im Gegensatz zu Griechenland, Luxemburg, Dänemark, Irland und Österreich, die EU-Länder Deutschland und Frankreich strikt gegen die
Abschaffung von Atomenergie sind. Eric Besson, der französische Industrieminister, will laut eigener Aussage keine Diskussionen über einen Atomausstieg auch nur beginnen solange die Vorfälle in
Fukushima aufgearbeitet und analysiert wurden. Was bei einer solchen „Aufarbeitung“ rauskommen soll, ist wohl mehr als offensichtlich. Mit dem Vorwand des „menschlichen Versagens“ oder eines
„reparierbaren bzw. verhinderbaren technischen Defektes“ oder ähnlichen Ausreden, wird die Frage des Atomausstieges nach vielleicht erst jahrelanger Diskussion in der EU niedergeschlagen werden.
Viel zu lukrativ ist das Geschäft mit den AKWs um sie einzustellen. Alleine der deutsche AKW Betreiber EnBW hat mit einer bloßen Laufzeitverlängerung seiner Reaktoren um zwölf Jahre bis zu 17
Milliarden Euro Gewinn gemacht. Damit steigt EnBW allerdings noch gar nicht so lukrativ wie andere Konzerne aus, denn der Durchschnitt bei einer Verlängerung liegt in Deutschland bei 8-10
Milliarden Euro Gewinn zusätzlich pro Jahr (laut dem Freiburger Öko-Institut)!
Angesichts solcher Summen erscheint es wohl weder überraschend, dass Frankreich wie auch Deutschland kein Interesse an einem Atomausstieg haben. Noch lässt es irgendeine Illusion über
„umweltfreundliche“ Politik der kapitalistischen Regierungen über, die sich für die Abschaffung des Atomstroms aussprechen. Gebe es auch nur irgendwie vergleichbare profitmachende
AKW-Betreiberfirmen von österreichischer Seite, würde die Regierung sicher ohne mit der Wimper zu zucken gegen einen Atomausstieg argumentieren. So verliert die kapitalistische Regierung
Österreichs aber nichts, falls tatsächlich von EU-Seite der Atomausstieg beschlossen wird und kann sich sozusagen als zusätzlicher Pluspunkt besonders umweltfreundlich und zukunftsorientiert
präsentieren.
Wie man es auch dreht und wendet, wird eines ganz klar: Die EU ist – so wie auch jede nationale Regierung – eng mit der KapitalistInnenklasse verbunden. Für die Betreiberkonzerne sind die AKWs
dermaßen profitabel, dass diese massiven Druck gegen einen Ausstieg betreiben werden.
Hilfe der EU für Japans Bevölkerung – ein Witz
Die „humanitären Hilfseinsätze“, die bisher von der EU getroffen wurden, so das Einrichten einer Luftbrücke zur Versorgung der Opfer, sind blanker Hohn und weniger als ein Tropfen auf dem heißen
Stein. Während Frankreich Ressourcen für einen militärischen Angriff gegen Libyen freimachen kann, scheint es plötzlich an Geld zu fehlen, wenn der japanischen Bevölkerung wie auch den
ArbeiterInnen im AKW Fukushima geholfen werden muss. Nach wie vor ist die Lage in Fukushima instabil, immer mehr ArbeiterInnen werden bei den täglich 11-stündigen Arbeitseinsätzen verstrahlt und
bekommen gleichzeitig Rationen an Essen und Trinken, die grade mal zum knappen Überleben reichen.
Die Bevölkerung Japans hat mit einer zerstörten Infrastruktur, der Verseuchung breiter Landstriche und damit auch der Ernte, sowie massiven Versorgungsproblemen von hunderttausenden Flüchtlingen
zu kämpfen. Was es jetzt bedarf, ist eines massiven Hilfseinsatzes um den japanischen ArbeiterInnen wie der gesamten Bevölkerung Verpflegung und alle notwendigen Güter zukommen zu lassen sowie
die Arbeiten an Fukushima voranzutreiben. Die Zerstörung der Umwelt und das massive Leid der japanischen Bevölkerung erfordert die Organisierung internationaler Hilfe!
* Für eine internationale Mobilisierung von FacharbeiterInnen, die freiwillig und hochbezahlt den japanischen AtomkraftarbeiterInnen helfen. Die FacharbeiterInnen sollen sich gemeinsam mit den
japanischen ArbeiterInnen organisieren, unter Einbeziehung des Rates von Experten und medizinischen Fachpersonal, denen sie vertrauen, sollen sie die Schritte im Vorgehen gegen die Katastrophe
absprechen, darüber demokratisch abstimmen und deren Umsetzung überwachen!
* Permanente Kontrolle der Schutzkleidung durch die ArbeiterInnen! Massive Investitionen in den Sicherheitsstandard der Ausrüstung! Die Kosten für die Schutzkleidung wie für alle Investitionen
müssen mittels massiven Eintreibens von Steuern auf Kapital bis hin zur Beschlagnahmung des Kapitals der UnternehmerInnen getragen werden.
* Sofortiger Stopp der Einfuhr frischer Lebensmittel wie aller kontaminierten Produkte aus Japan. Organisierung großer, internationaler Hilfsgütertransporte mit qualitativ hochwertiger Nahrung
wie aller erforderlichen Mittel zum Leben für die Menschen in den betroffenen Gebieten. Diese Hilfsgüter müssen unter Kontrolle der ArbeiterInnenbewegung stehen – den UnternehmerInnen darf nicht
vertraut werden!
*Öffnung der Grenzen weltweit, um Flüchtlinge der betroffenen Gebiete umgehend aufnehmen zu können und sie mit allem Notwendigen zu versorgen! Die UnternehmerInnen der jeweiligen Länder müssen
für alle anfallenden Kosten zur Kassa gebeten werden.
* Sofortige Übernahme aller Atomkraftwerke in staatliche Hand und unter Kontrolle der Beschäftigten wie der gesamten Bevölkerung. Atomkraftwerke gefährden nicht nur die Menschen im unmittelbaren
Umkreis, sondern das Wohl der gesamten Weltbevölkerung! Sie dürfen nicht in den Händen von profitgeilen Verbrechern liegen!
* Sofortiger massiver Ausbau der Sicherheitsmaßnahmen und Schutzeinrichtungen bei Atomkraftwerken. Alle Möglichkeiten zum Schutze der Reaktoranlage gegen Umweltkatastrophen müssen umgehend
ergriffen werden!
* Massive Investition in alternativen Energieformen. Ausbau von Kraftwerken, die auf umweltfreundlicher und atomfreier Grundlage arbeiten! Viel zu lange schon wird die Umwelt wegen dem Wunsch
nach Profit einiger weniger massiv zerstört.