Nach den Wien-Wahlen: Wie konnte das passieren?

Zu den Ursachen des Wahlsiegs der FPÖ in Wien, der verheerenden Politik der SPÖ und den nächsten Schritten der ArbeiterInnenbewegung

 

Von Michael Pröbsting

 

Die Wiener Wahlen endeten mit einem klaren Erfolg der FPÖ. Sie konnte ihren Stimmenanteil um 12,15% auf 26,98% steigern und damit an ihr bestes Ergebnis 1996 unter Jörg Haider anschließen. (alle Angaben beziehen sich auf das vorläufige Ergebnis ohne Auszählung der Wahlkarten) Die SPÖ dagegen verlor 4,8% und kam auf 44,29%. Noch größere Verluste fuhr die ÖVP ein, die mit 13,25% über 5,5% verlor und nur noch knapp vor den Grünen liegt (diese bekamen um 2,42% weniger Stimmen und wurden mit 12,21% viertstärkste Partei). Die KPÖ verlor 0,33% und erzielte insgesamt nur 1,14%.

 

Der Wahlsieg der rechten FPÖ ist ein Erfolg für die Partei des ungeschminkten Rassismus und des brutalen, offenen Angriffs auf die Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung. Der Wahlsieg der FPÖ muß ein Alarmsignal – wenn es noch eines bedurfte – für die gesamte ArbeiterInnenbewegung sein.

 

Wie konnte das passieren?

 

Der Grund für Strache‘s Wahlsieg liegt nicht bei Strache selbst und schon gar nicht in den „Argumenten“ der FPÖ. Der Grund ist in unseren eigenen Reihen, in den Reihen der ArbeiterInnenbewegung, zu suchen.

 

Die Schuldigen stehen an der Spitze der SPÖ und sind Häupl, Faymann und die gesamte Parteibürokratie, die diesen Figuren und ihrer Politik die Stange hält. Ihre Politik des Mitverwaltens des Sozialabbaus und der kapitalistischen Krisenpolitik zugunsten der Reichen und auf Kosten der breiten Masse der Bevölkerung sorgt für eine Orientierungslosigkeit in der ArbeiterInnenbewegung. Diese SPÖ-Politik treibt immer mehr demoralisierte, rückständige Teile unserer Klasse in die Arme der rassistischen Hetzer.

 

Es ist daher kein Zufall, daß die FPÖ ihre größten Einbrüche in den klassischen ArbeiterInnenbezirken verzeichnen konnte. In Favoriten, Simmering, Donaustadt oder Floridsdorf konnte die Strache-Partei mehr als 30% der Stimmen erzielen.

 

Soziale Rhetorik soll Sozialabbau verdecken

 

Die SPÖ-Parteispitze hat geglaubt, sie kann ihre WählerInnen für blöd verkaufen. Jeder weiß, daß die Parteispitze mit der ÖVP über das „größte Sparpaket der Geschichte der II. Republik“ (Finanzminister Pröll) verhandelt. Die SPÖ hat bereits zugestimmt, daß im kommenden Jahr bei den Pensionen 214 Millionen, bei den Familien 235 Millionen und bei den Sozialversicherungen gar 250 Millionen Euro gekürzt werden soll.

 

Natürlich versuchen sich Faymann & Co mit ein paar Sprüchen über die Vermögenssteuer von der ÖVP abzugrenzen. Aber die Taten der Partei aus den vergangenen Jahren stoßen immer mehr ab. Die Parteispitze mag manchmal links reden. Aber in der Praxis packelt sie mit der Hauptpartei der KapitalistInnen – der ÖVP – und betreibt unverhohlen Sozialabbau. Kein Wunder also, daß immer mehr ArbeiterInnen den Wahlversprechen der SPÖ mit Zynismus begegnen und 83.000 der Wiener SP-WählerInnen von 2005 nicht wieder diese Partei wählten. Ebensowenig ist es ein Wunder, daß die SPÖ überhaupt in den letzten Jahren bei jeder Wahl Stimmen verliert.

 

SPÖ will MigrantInnen germanisieren

 

Ebenso vergiftet die SPÖ-Bürokratie mit ihrer Politik des – angeblich nicht hetzerischen – liberalen Rassismus das Bewußtsein der ArbeiterInnenklasse. Faymann unterstützt offen Häupls Kurs, daß man in der „Ausländer- und Integrationsfrage die Probleme ansprechen“ müsse. In Wirklichkeit redet die Führung der Sozialdemokratie dem Rassisten Strache nach dem Mund und betreibt eine Politik der Zwangsgermanisierung nach dem Motto: MigrantInnen müssen deutsch lernen, „denn bei uns red ma eben deitsch“.

 

In einer Wahlwerbe-Massenaussendung an alle Haushalte ließ Häupl den WienerInnen ausrichten: „Ein Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben ist die gemeinsame Sprache. Darum lege ich größten Wert darauf, dass alle Zuwanderinnen und Zuwanderer Deutsch lernen. Wir haben deswegen in Wien verpflichtende Deutschkurse und ein Vorschuljahr für alle Kinder eingeführt.

 

Diese SPÖ-Politik ist nichts anderes als verkappter, liberaler Rassismus. Denn sie bedeutet, daß die nationale Herkunft, die jeweilige nationale Kultur der MigrantInnen ausgelöscht und an die herrschende österreichische Staatsnation angepaßt werden soll. Das ist Assimilation und nicht Integration auf gleichberechtigter Grundlage, wo alle nationalen Gruppen die gleichen Rechte haben.

 

Auch wenn die SPÖ nach wie vor vielen als geringeres Übel gegenüber der FPÖ erscheint, so macht sie mit ihrer Germanisierung-Politik den Strache-Rassismus immer mehr salonfähig. Rückschrittliche sozialdemokratische ArbeiterInnen denken sich: „Wenn der Häupl auch dafür ist, daß sich die Ausländer anpassen sollen, dann können die Strache-Sprüche wohl nicht so schlimm sein.“

 

Die SPÖ-Politik des Sozialabbaus und des liberalen Staats-Rassismus untergräbt die offizielle ArbeiterInnenbewegung und stößt zehntausende ArbeiterInnen von der SPÖ weg. Viele ziehen sich zurück und gehen gar nicht wählen. Laut Untersuchungen des Meinungsforschungsinstituts SORA gingen 32.000 ehemalige SPÖ-WählerInnen diesmal gar nicht zur Wahl. Andere, zumeist die rückständigsten Teile, werden politisch demoralisiert und laufen zum offensichtlichsten Klassenfeind über, der FPÖ. (Laut SORA waren dies 46.000 ehemalige SPÖ-WählerInnen)

 

Lehren ziehen

 

Zusammengefaßt: Der größte Wahlhelfer der reaktionären Strache-FPÖ ist die SPÖ-Parteispitze und ihre Politik. Daher muß für die Verteidigung der Interessen der ArbeiterInnenklasse an mehreren, miteinander zusammenhängenden, Fronten geführt werden.

 

Die Aufgabe aller AktivistInnen der ArbeiterInnenbewegung besteht darin, die reaktionäre Hetze der FPÖ und die Spaltung in InländerInnen und MigrantInnen zu bekämpfen. Notwendig ist eine offensive Aufklärungskampagne über die tatsächlichen Ursachen der wachsenden Arbeitslosigkeit und Armut. Dabei muß gezeigt werden, daß nicht MigrantInnen, sonder das System, in dem die zahlenmäßig kleine Klasse der KapitalistInnen die Wirtschaft besitzt und kontrolliert, der Grund für das zunehmende soziale Elend ist.

 

Das Mitwirken der SPÖ an der Aufrechterhaltung dieses kapitalistischen Systems und die engen Freundschaftsbeziehungen der Bürokratie mit dem Kapital müssen dabei offen benannt und gebrandmarkt werden.

 

Soll der Kampf gegen die FPÖ glaubwürdig sein, muß er daher auch eine klare Linie des Kampfes gegen die bürgerliche Politik der SP-Führung beinhalten. Die Aufgabe von MarxistInnen ist daher auch, Klarheit in der ArbeiterInnenbewegung über den wahren Charakter der SPÖ-Bürokratie zu schaffen. Nur allzu oft verbreiten links-reformistische und zentristische Linke die Illusion, als wären die Parteiführer bloß inkonsequente, nicht zuverlässige Partner im Kampf gegen die Bürgerlichen.

 

Beispielhaft dafür ist die zentristische Gruppe „Funke“. So schreibt der Funke: „Häupl & Co. sind keine sehr zuverlässige Kraft in dieser Auseinandersetzung mit den rechten Parteien.“ (Funke: Am 10.10. SPÖ wählen - Vorzugsstimme für Neva Löw, 8. 10 2010) Das ist wohl die Untertreibung des Jahres und stellt die Wahrheit auf den Kopf! Nein, Häupl & Co. sind nicht bloß „keine sehr zuverlässige Kraft“ auf unserer Seite gegen die Bürgerlichen. Häupl & Co., also die SPÖ-Parteibürokratie, sind zuverlässige Helfershelfer der Bürgerlichen – also der anderen Seite – in den Reihen der ArbeiterInnenbewegung! Sie sind – in den Worten der marxistischen Theoretiker Lenin und Trotzki – „die Agenten der KapitalistInnen in den Reihen der ArbeiterInnenklasse“! Als solche müssen sie von wirklichen MarxistInnen auch gekennzeichnet werden anstatt wie der „Funke“ ihre für die ArbeiterInnenklasse schädliche Rolle zu verharmlosen.

 

Ein Programm des Kampfes

 

Die notwendige Aufklärung über den Charakter der SPÖ-Politik muß Hand in Hand mit konkreten Forderungen und Taktiken gegenüber der Partei- und Gewerkschaftsspitze gehen. Denn Tatsache ist, daß die Sozialdemokratie noch immer die Gewerkschaften beherrscht und noch immer die Mehrheit der ArbeiterInnenklasse hinter sich hat.

 

Was marxistische Politik von ultralinkem Aufklärertum unterscheidet, ist die Tatsache, daß wir nicht bei der Darlegung von sozialistischen Grundsätzen stehen bleiben, sondern diese mit konkreten Schlußfolgerungen und Taktiken verbinden.

 

Was bedeutet dies in der gegenwärtigen Situation? Erstens gilt es, Häupl’s Orientierung auf eine Koalition mit einer bürgerlichen Partei – seien es die Grünen oder die ÖVP – zu bekämpfen. Eine solche Koalition würde nur als Vorwand dazu dienen, daß die SPÖ-Führung ihre bürgerliche Politik noch leichter damit entschuldigen und rechtfertigen kann, weil sie ja leider auf den Koalitionspartner Rücksicht nehmen muß. Die Bundespartei exerziert diese Ausreden-Politik schon seit 1983 vor.

 

Es gilt auch eine Koalition der SPÖ mit den Grünen zu bekämpfen. Diese scheinen linker zu sein. Aber sie sind in Wirklichkeit eine Partei mit geringer Verankerung in den Gewerkschaften und einer überproportionalen Unterstützung bei den Mittelschichten. Laut der SORA-Untersuchung bekamen die Grünen in Wien unter den ArbeiterInnen (im arbeitsrechtlichen Sinne) nur 3% der Stimmen, dafür aber 24% unter den Selbständigen! (also doppelt so hoch wie ihr Gesamtergebnis von 12,2%)

 

Es ist bezeichnend für das parlamentarisch-orientierte, bürgerliche Denken von diversen SP-Linken, das sie sich jetzt für eine rot-grüne Koalition stark machen. Sie können sich Politik nur als StellvertreterInnenpolitik im Parlament vorstellen.

 

Wir von der RKOB vertreten dagegen den Standpunkt, daß die richtige Forderung jetzt jene nach einer SPÖ-Minderheitsregierung sein müßte, die sich auf Mobilisierungen der Gewerkschaften stützt. Solche Mobilisierungen müßten sich nicht nur gegen bürgerliche Parteien in der Stadtregierung wenden, sondern sollten umgehend mit einer vollständigen und kompromißlosen Ablehnung des drohenden Sparpaketes verbunden werden.

 

Der Kampf gegen das drohende Sparpaket

 

Damit kann auch die Verbindung zu der zentralsten Aufgabe der nächsten Monate geschaffen werden: den Kampf gegen das Sparpaket! Dieser Kampf muß mit einem positiven Forderungsprogramm geführt werden – u.a. mit der Forderung nach sofortiger Einführung einer massiven Vermögenssteuer, der Enteignung der Superreichen sowie einem öffentlichen Beschäftigungsprogramm.

 

Um das drohende Sparpaket zu verhindern, müssen fortschrittliche AktivistInnen in den Gewerkschaften, den Jugendorganisationen, der SPÖ und der gesamten ArbeiterInnenbewegung eine Kampagne zur Organisierung von Demonstrationen, Streiks und einem unbefristeten Generalstreik entfalten.

 

Eine zentrale Aufgabe besteht daher darin, an die Führungen dieser Organisationen die Forderung nach der Organisierung von Demonstrationen, Streiks und einem unbefristeten Generalstreik zu richten und sie zum Kampf zu zwingen. ÖGB, Einzelgewerkschaften, Jugendorganisationen usw.: Organisiert den Widerstand!

 

Gleichzeitig gilt es, den Aufbau von Aktionskomitees in Angriff zu nehmen. In solchen Aktionskomitees sollen sich alle Lohnabhängigen bzw. SchülerInnen oder StudentInnen, die Widerstand leisten wollen, zusammenschließen und in regelmäßigen Treffen Aktionen planen und durchführen. Solche Aktionskomitees müssen Schritte setzen, um die Gewerkschaftsführung zur Organisierung einer breiten Kampagne zu zwingen. Sie müssen Versammlungen in Betrieben und Stadtteilen einberufen.

 

Ebenso treten wir dafür ein, ein breites Antikrisenbündnis aufzubauen und werden auch aktiv Schritte in diese Richtung setzen. Das Ziel eines solchen Antikrisenbündnisses muß sein, möglichst breite Teile der ArbeiterInnenbewegung für konkrete Kampfschritte zu gewinnen.

 

Faymann und seine Clique wollen natürlich um jeden Preis ihre Macht mit Hilfe der Koalition mit der ÖVP aufrechterhalten. Die ArbeiterInnenbewegung muß dagegen diesen bürgerlichen Kräften einen Strich durch die Rechnung machen. Die SPÖ muß unter Druck gesetzt werden: Schluß mit der Koalition mit der ÖVP! Nicht bloß von „sozialer Gerechtigkeit“ reden, sondern Taten setzen: Für eine SPÖ-Minderheitsregierung gestützt auf Massenmobilisierungen auf der Straße!

 

Revolutionäre ArbeiterInnenpartei

 

Entscheidend wird aber sein, ob es uns gelingt, eine neue, revolutionäre ArbeiterInnenpartei als starke Alternative zur SPÖ aufzubauen. Denn um die politische Untergrabung der ArbeiterInnenbewegung, das Verbreiten des Giftes des Rassismus und die verheerende Passivität der ArbeiterInnenklasse und die damit zusammenhängende Stärkung von rechts-populistischen Kräften zu bekämpfen, brauchen wir eine solche neue Kampfpartei der ArbeiterInnenklasse.

Notwendig ist eine revolutionäre Partei, die für den klassenkämpferischen Widerstand gegen alle Formen des Sozial- und Bildungsabbaus sowie für die multinationale Einheit unserer Klasse – also den praktischen, internationalistischen Zusammenschluß der inländischen und migrantischen Teile der ArbeiterInnenklasse – eintritt. Als RKOB verbinden wir daher den Kampf gegen Rassismus und Sparpaket mit dem Kampf für den Aufbau einer Partei zur Befreiung der ArbeiterInnenklasse. Schließ dich uns an!