Artikel von Almedina Gunić, RKO BEFREIUNG (Österreichische Sektion der RCIT), 20.9.2019, www.rkob.net und www.thecommunists.net
Die Koalition von FPÖ und ÖVP ist Ende Mai nach dem Auftauchen des skandalträchtigen “Ibiza-Videos” auseinandergebrochen. Kurz darauf wurde eine Übergangsregierung angelobt und Neuwahlen für den 29.September angesetzt. Diese rasche Abfolge an Ereignissen, wie allgemein der Skandal rund um die FPÖ-(ex) Granden H.C. Strache und Johann Gudenus haben zu einem raschen Wahlkampfauftakt geführt. Die Strategien der verschiedenen Parteien sind dabei recht offensichtlich. Die ÖVP – nach wie vor unter der Führung von Sebastian Kurz – hat sich den Staub der alten Koalitionsregierung abgeschüttelt. Seitens des zentralen ÖVP-Parteikaders werden keine klaren Ansagen geäußert eine erneute Koalition mit der FPÖ einzugehen, solange diese ihren Mastermind Herbert Kickl in der Position des zukünftigen Innenministers sehen. Mit dieser Forderung der ÖVP treffen sie das Herz (oder eher das Hirn) der FPÖ-Spitze. Die bürgerlich-konservative ÖVP versucht sich damit vor weiterem Imageschaden in den Augen der internationalen Spitzenpolitiker zu retten und gleichzeitig ihre eigene Wählerbasis zu sichern.
Ibiza-Video hat keine Konsequenzen
Die FPÖ dagegen fährt eine mehrgleisige Strategie. Herbert Kickl muss in zentraler Position bleiben, wenn der FPÖ auch das Hintertürl seiner Funktion als Klubobmann im Parlament reichen könnte. Norbert Hofer wird als neuer Saubermann präsentiert, der sich sogar als Umweltschützer versteht und im Gegensatz zur typischen Strache-Rhetorik mit gespielter Engelsgeduld argumentiert mit einer Stimme, als hätte er Kreide gegessen. Gleichzeitig ist H.C. Strache nicht weg vom Politfenster sondern plant schon sein Comeback zu den Wien-Wahlen im nächsten Jahr. Seine Beliebtheit ist unter der FPÖ-Wählerbasis kaum geschrumpft und die Opferrolle beherrscht er sowieso im Schlaf. Seine Frau Philippa Strache, die ihm an politischer Widerwärtigkeit in nichts nachsteht wird von den bürgerlichen Medien komplett kritiklos als angehende starke Frau der FPÖ dargestellt. Gleichzeitig gibt es in den Reihen der FPÖ sehr wohl Grabenkämpfe zwischen den gemäßigteren Lager um Norbert Hofer und dem erzrechten Kern um Herbert Kickl.
Rechtskurs der Sozialdemokratie
Die SPÖ hat bemerkenswert wenig aus den Skandalen und turbulenten Entwicklungen gewonnen. Mit Joy Pamela Rendi-Wagner ist eine Kandidatin an die Spitze gekommen, deren politische Agenda dem Kurs von Christian Kern bis aufs Haar gleicht. Die fast schon an liberale Parteien erinnernde, schmierige (Manager-)Strategie der SPÖ-Granden hat wenig überraschend die proletarische Parteibasis kalt gelassen. Es ist bemerkenswert, dass die Sozialdemokratie in Umfragen kaum mehr Prozent als die skandalgerüttete FPÖ schafft. Es wäre falsch eine so dermaßen nach rechts gehende bürgerliche ArbeiterInnenpartei gleich tot zu erklären. Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass die SPÖ mit ihrem aktuellen Kurs beim fortschrittlichsten Teil der ArbeiterInnenklasse auf große Sympathie stoßt.
Öko mit Sozialabbau
Die GRÜNEN dagegen haben sich komplett erholt und profitieren von der europaweiten Umweltbewegung, die in erster Linie von Schülerinnen und Schülern organisiert, große Beliebtheit in der Bevölkerung genießt. Die unsäglichen Hitzewellen und zunehmenden Umweltkatastrophen spielen dem Öko-Kurs der GRÜNEN in die Hände, zumal sie in diesem Bereich als einzige Parlamentspartei glaubhaft erscheinen. Das diese bürgerliche Partei willfährig fast jede Form von Sozialabbau mittragen würde, solange sie nur in die Regierung darf, hat sie in der Vergangenheit schon hinreichend bewiesen. Die kleineren Parteien NEOS und JETZT (Liste Pilz) konzentrieren sich auf einzelne Themen wie Bildungspolitik und hoffen vom Prinzen Kurz als neue Regierungspartner erwählt zu werden. Die KPÖ hält ihre winzige Basis halbwegs stabil und hat am ehesten die Liste WANDL zur Konkurrenz. Letzterer fehlt (noch) die entsprechende Verankerung unter den ArbeiterInnen und Unterdrückten, stellt derzeit aber die wohl interessanteste Entwicklung der Parteienlandschaft Österreichs dar.
Revolutionäre Alternative
Wir als fortschrittliche Arbeiterinnen und Arbeiter haben sowieso kein Interesse bürgerliche Parteien wie die FPÖ, ÖVP, GRÜNE, NEOS und JETZT zu wählen. Angesichts der Gesamtentwicklung sind bei diesen Wahlen aber auch die weiterhin stabil nach rechts gehende SPÖ und die weiterhin stabil mickrige KPÖ bzw. Liste WANDL keine wählbare Option. Bei den kommenden Wahlen ist die richtige Strategie ungültig zu wählen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Nationalratswahl 2019 lenkt in Wirklichkeit erfolgreich von den wichtigsten Aufgaben ab: Dem Organisieren einer kämpferischen, proletarischen und migrantischen Widerstandsbewegung sowie dem Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei. Letztere sollte unserer Meinung nach auf revolutionärer Grundlage stehen. Das ist eine dringende Aufgabe, um sich gegen die kommenden Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten wehren zu können. Denn egal, wie genau die kommende Regierung aussehen wird, ihr zentraler Bestandteil wird die ÖVP sein. Angesichts der bevorstehenden Rezession ist das eine Garantie für Lohnkürzungen, massiven Sozialabbau, rassistische Gesetzesbeschlüsse und vieles mehr, das unser Leben als ArbeiterInnen und MigrantInnen zur Hölle macht. Überall auf der Welt erleben wir Angriffe auf uns ArbeiterInnen und Unterdrückte. Wir sehen aber auch heldenhaften Widerstand dagegen. Sei es von unseren Brüdern und Schwestern in Syrien, Ägypten oder Kaschmir, die sich gegen unterdrückerische Regime wehren. Seien es die heldenhaften Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Hongkong oder in Lateinamerika, die für demokratische Rechte und gegen Rassismus demonstrieren. Sie alle geben die einzig richte Antwort auf die Angriffe der Herrschenden.
Wir setzen daher auf das, was unsere Interessen wirklich wahren kann: Auf Widerstand statt Wahlurnen!