Höchste Zeit für Widerstand und die Schaffung einer Neuen ArbeiterInnenpartei!

Nach den Wahlen in Österreich droht eine Schwarz-Blaue Regierung und damit massiver Anstieg an Rassismus und Sozialabbau

Resolution der Revolutionär-Kommunistischen Organisation BEFREIUNG (RKO BEFREIUNG), 18.10.2017, www.rkob.net

 

1. Am 15.Oktober fanden die vorgezogenen Nationalratswahlen in Österreich statt. Der absolute Sieger des Wahlabends ist die rechtskonservative ÖVP, die traditionelle Partei der herrschenden Klasse. Die ÖVP hat ein Ergebnis von 31.5% erreicht – das stärkste seit 15 Jahren. Als weiteren klaren Wahlsieger des Abends kann man auch die rechtspopulistische FPÖ mit 26% nennen, die damit 5.5% mehr Stimmen als bei den letzten Nationalratswahlen bekam. Große Verlierer sind vorallem die SPÖ sowie die GRÜNEN. Die Sozialdemokraten haben ein fast exakt gleichbleibendes Ergebnis erzielt mit 26.9% der Stimmen (welches das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte war). Die GRÜNEN schaffen dagegen mit 3.8% nicht mehr den Einzug ins Parlament. Ganz im Gegensatz zur Liste PILZ, die sich relativ knapp vor den Wahlen von den Grünen abgespalten hatte und auf Anhieb fast 4.4% erhielt. Die einzig weitere Kleinpartei, die es ins Parlament schafft, sind die bürgerlich-liberalen NEOS. Diese haben einen leichten Zuwachs erfahren und 5.2% der Stimmen bekommen.

 

2. Unbedeutend sind die Ergebnisse sämtlicher anderer angetretener Parteien. Die einzig kurz erwähnenswerte ist die “kommunistische” KPÖ+, die auf 0.78% der Stimmen kam und damit um 0.25% weniger hat als bei den letzten Wahlen. Die Wahlbeteiligung lag bei 79,41% und war somit um 4,5% höher als 2013. Alleine in Wien haben allerdings auch 27% der Bevölkerung im wahlfähigen Alter einen ausländischen Passes. Ein großer Teil der Bevölkerung darf somit auf Grundlage dieses undemokratischen Zensus-Wahlrechts gar nicht wählen!

 

3. Die ÖVP verdankt ihren Erfolg augenscheinlich dem 31-jährigen Parteivorsitzenden Sebastian Kurz. Das Konzept von Sebastian Kurz lautete zusammengefasst: Parteiapparat öffnen um eine “Bewegung” zu schaffen. Gleichzeitig aber ein Parteivorsitzender mit bonapartistisch anmutenden Befugnissen werden. Entsprechend personenbezogen verlief der Wahlkampf der ÖVP. Das Parteilogo kam fast nicht mehr zum Einsatz. Selbst die Wahlliste nannte sich Liste Sebastian Kurz, Die Neue Volkspartei (ÖVP). Dieses Konzept ist durchaus vergleichbar mit dem eines Emmanuel Macron in Frankreich. Es ist trotzdem klar: Sowohl der Erfolg der ÖVP als auch der FPÖ drücken eine Zunahme an Rassismus aus. Als Integrationsminister galt Sebastian Kurz von Anfang an als Hardliner gegenüber Migranten und Muslimen. Das Thema Asyl und Integration war ebenso zentral im Wahlkampf der ÖVP wie der FPÖ. Trotz des klaren Rechtsruck, ist die massive Stärkung sowohl der ÖVP als auch der FPÖ zu einem wichtigen Teil auch durch die Stimmen früherer Wähler des bürgerlich-rechten BZÖ sowie des ebenso bürgerlich-rechten Team Stronach zustande gekommen.

 

4. Es ist das erste Mal seit ihrem Entstehen, dass die GRÜNEN nicht ins Parlament kommen werden. Der faktische Ausschluss der Grünen Jugend sowie die Abspaltung von Peter Pilz zugunsten einer eigenen Liste zeigen wie instabil die GRÜNEN geworden sind. Nicht zu vergessen ist, dass all diese Entwicklungen stattfanden obwohl das Gesicht der GRÜNEN, Alexander Van der Bellen, erst vor weniger als 12 Monate sogar Bundespräsident wurde. All diese Entwicklungen sind insbesondere deswegen interessant, als es in der Vergangenheit durchaus eine gewisse Mobilisierung unter den MigrantInnen sowie den Jugendlichen gab für die GRÜNEN. Beide Faktoren sind dieses Mal augenscheinlich weggefallen und haben eine entsprechende Schwächung der GRÜNEN befördert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die meisten Stimmenverluste an die SPÖ ergingen. Die links-bürgerliche Partei GRÜNE hat in der Vergangenheit eine besondere Verankerung im städtischen Kleinbürgertum geschafft. Ihre Stimmen sind deshalb diesmal auch zu einem relevanten Teil an die ÖVP unter Kurz gegangen. So unwahrscheinlich eine Auflösung der GRÜNEN auch ist, zahlreiche Spitzenfunktionäre verlassen nun das sinkende Schiff. Es ist durchaus möglich, dass es zu einer erneuten Annährung mit Peter Pilz kommt und die GRÜNEN in einer ähnlichen Art wie das die ÖVP geschafft hat zu den nächsten Wahlen im neuen Gewand erscheinen. Gerade in den Reihen bürgerlicher Kräfte scheint das Konzept einer starken, bonapartistisch anmutenden Parteiführung mit personalisierten Listennamen erfolgreich zu sein. Derzeitige Krisensitzungen der GRÜNEN könnten durchaus zu einer solchen Schlussfolgerung gelangen.

 

5. Die SPÖ hat mit Christian Kern einen besonders schmierigen Vertreter an ihre Spitze gestellt. Es ist nicht verwunderlich, dass Kern im Wahlkampf zwar jegliche Koalition mit der FPÖ ablehnte, jetzt aber sehr wohl parteiintern mit dem rechten Flügel auf gleicher Linie ist und somit auch intensive Verhandlungen mit der FPÖ führt. Für Christian Kern tickt auch die Zeit, da er von Anfang an angekündigt hatte nur 10 Jahre in der Politik bleiben zu wollen. Unabhängig davon, ob es zu einer wohl äußerst instabilen Rot-Blauen Koalition kommt, werden mit den jetzigen Verhandlungen die Weichen für die Zukunft gestellt. Je mehr die Möglichkeit einer Koalition mit der FPÖ diskutiert wird und als reale Option gilt, umso mehr wird der rechte Flügel innerhalb der SPÖ gestärkt. Was bisher als Tabubruch galt, wird immer mehr zu einem gangbaren Weg für die SPÖ. Hat sie bei diesen Wahlen noch eine Mehrheit an Stimmen in zentralen Arbeiterbezirken Wiens (die entsprechend hohen Migrantenanteil haben) wie Ottakring und Rudolfsheim-Fünfhaus erhalten, kann das mit fortlaufender Rechtsentwicklung bald ebenso der Vergangenheit angehören. Das von der SPÖ selbst verwaltete faktische Zensus-Wahlrecht, das soviele MigrantInnen von der Wahl ausschließt und zutiefst undemokratisch ist, hat die SPÖ auch diesmal einige Stimmen gekostet.

 

6. Es ist besonders bemerkenswert, dass die SPÖ insgesamt massiv unter den Arbeitern und Angestellten zugunsten der FPÖ verloren hat, aber dieses Mal im städtischen Kleinbürgertum besonders stark abschnitt. Die SPÖ als bürgerliche Arbeiterpartei dürrt augenscheinlich ihre eigene proletarische Basis aus und hat das Glück noch einen relevanten Teil an MigrantInnen für sich mobilisiert zu haben sowie von der Spaltung der GRÜNEN zu profitieren. Die Verbürgerlichung der Sozialdemokratie schreitet augenscheinlich voran und macht einen Bruch mit der SPÖ und die Schaffung einer neuen ArbeiterInnenpartei in Österreich zu einer höchst dringlichen Aufgabe für alle linken Teile der SPÖ. Eine solche neue ArbeiterInnenpartei darf die Fehler der SPÖ nicht wiederholen. Ein klares Aktionsprogramm gegen Rassismus und Sozialabbau ist unerlässlich. Ebenso muss sich eine neue ArbeiterInnenpartei auf Massenmobilisierungen auf der Straße orientieren. Das Parlament sollte lediglich als Tribüne zur Verbreitung ihrer Ideen gesehen werden und nicht als der Mittelpunkt. Eine revolutionäre Programmatik und Strategie zu entwickeln wird entscheidend sein. Zahlreiche führende, sozialdemokratische Gewerkschaftsbürokraten wie Josef Muchitsch, Horst Schachner, Roman Hebenstreit und im Endeffekt auch Erich Foglar drängen auf eine Koalition mit der FPÖ. Das zeigt auf zu welcher Verrottung der Reformismus geführt hat. Eine linke Abspaltung von der SPÖ muss dagegen die gesunden, kämpferischen Teile der Gewerkschaft erfassen. Sie muss sich von ihrem historischen Reformismus abwenden und offen sein für revolutionäre Elemente, die in der Vergangenheit keinen Platz in der SPÖ hatten.

 

7. Die Ergebnisse der Wahl haben zum ersten Mal in der Geschichte zu einem gewissen Equilibrium (Gleichgewicht) zwischen drei Parteien geführt, von denen zwei die neue Regierung bilden werden. Die ÖVP, SPÖ und FPÖ stehen derzeit in Verhandlungen um die Koalitionsbildung. Entgegen den Spekulationen der bürgerlichen Presse ist es schwer möglich, dass die neue Regierung eine Koalition wird ohne die ÖVP. Immerhin handelt es sich um die zentrale Partei der herrschenden Klasse, die auch noch stimmenstärkste geworden ist. Ebenso würde eine Koalition ohne ÖVP bedeuten, dass die Sozialdemokraten mit der rechts-populistischen FPÖ in eine Regierung gehen und dabei letztere die klare Führung inne hätte. Eine Blau-Rote Regierung würde die Sozialdemokratie innerlich zerreißen, sowie den Verlust eines breiten Teils ihrer UnterstützerInnenbasis bedeuten. Es gibt einen relevanten Anteil an WählerInnen, die einer SPÖ nur mehr deswegen ihre Stimme geben, weil sie als sichere Bank gegen die FPÖ erscheint. Sind Kern und der rechte Flügel der SPÖ auch durchaus bereit sich auf eine Koalition mit der FPÖ einzulassen, um die Futtertröge der Macht nicht zu verlieren, ist andere Koalitionen dagegen viel wahrscheinlicher. Eine erneute ÖVP-SPÖ Koalition ist durchaus möglich, müsste aber mit einem extrem beschleunigten Rechtskurs der SPÖ einhergehen. Führende Funktionäre der SPÖ, allen voran auch Christian Kern, sind durchaus dazu bereit. Allerdings kann es für die ÖVP unter Kurz schwierig werden eine solche Koalition einzugehen, da sie im Wahlkampf große Veränderungen in der Regierungspolitik versprochen hat und die ÖVP-Basis mit einer Neuauflage von ÖVP-SPÖ enttäuschen wird. Wie schon von der RKO BEFREIUNG nach dem Bruch der Regierung angeführt, wird es daher mit relativ hoher Sicherheit zu einer Schwarz-Blauen Koalition kommen.

 

8. Eine Bürgerblock-Regierung mit ÖVP und FPÖ ist eine große Gefahr für die ArbeiterInnenklasse in Österreich sowie für alle Unterdrückten. Es wird ohne Frage eine Regierung des zunehmenden Rassismus und Sozialabbaus sein. Im besonderen Kreuzfeuer werden unsere migrantischen Brüder und Schwestern stehen, allen voran Flüchtlinge und Muslime. Das schon existierende, rassistische Islamgesetz sowie das Verhüllungsverbot sind eine Miniaturvariante von Angriffen die durch eine Schwarz-Blaue Regierung erst noch folgen werden. Es wird zu massiven Angriffen auf die ArbeiterInnenklasse kommen, die gerade auch Lehrlinge und migrantische ArbeiterInnen zu spüren bekommen werden. Ebenso werden Kürzungen im Sozialsystem sowie eine zu erwartende Anhebung der Mehrwertsteuer zu einer weiteren Zunahme der Kluft zwischen arm und reich führen. Die Angriffswelle auf die ArbeiterInnenklasse, die gerade die Regierung in Frankreich unter Macron durchführt ist wohl das Vorbild für Kurz und Strache. Es ist somit höchste Zeit den Widerstand auf der Straße zu organisieren!

 

9. Die derzeitigen Verhandlungen zur Bildung der neuen Regierung müssen der Startschuss für die Vorbereitung von größeren Protesten sein. Es ist notwendig mit aller Kraft den Widerstand gegen Rassismus und Sozialabbau voranzutreiben. Wir rufen alle Gewerkschaften sowie alle anderen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung dazu auf, Massenproteste bis hin zum Generalstreik zu organisieren. Es ist höchste Zeit, dass sich die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung – allen voran die Gewerkschaften – für alle MigrantInnen unabhängig ihres Aufenthaltsstatus öffnen. Dem rassistischen Programm aller Parlamentsparteien muss ein Programm der vollen Gleichberechtigung aller unserer migrantischen Brüder und Schwestern entgegen gesetzt werden. Dazu gehört die sofortige und ersatzlose Abschaffung des Islamgesetzes, wie auch sämtlicher rassistischer Asyl und Migrantengesetze. Die Grenzen müssen geöffnet werden, damit unsere flüchtenden Brüer und Schwestern hier eine neue Heimat finden können. Dabei muss gelten: Wer in Österreich lebt, erhält volle Gleichberechtigung, uneingeschränkten Zugang zu allen Sozialleistungen sowie zum Arbeitsleben. Wir fordern das Recht auf Muttersprache sowohl bei Behörden und Ämtern als auch in allen Bildungseinrichtungen (Schulen, Universitäten, etc.). Die ArbeiterInnenbewegung muss zusammen mit Organisationen der MigrantInnen Selbstverteidigungskomitees schaffen. Die zunehmenden rassistischen Attacken auf migrantische Vereine wie auch Moscheen muss gemeinsam abgewehrt werden. Anti-Rassismus Komitees und Versammlungen müssen an allen Ausbildungsorten, am Arbeitsplatz und in den Dörfern und Bezirken organisiert werden.

 

10. Die neue Regierung wird sich nicht nur gegen unsere migrantischen Brüder und Schwestern richten, sondern gegen die ArbeiterInnenklasse und ihre Bewegung als solches. Der Lebensstandard wird sich für unsere Klasse auf Grund von Kürzungen der Löhne und Pensionen, Flexibilisierungen der Arbeitszeit, sowie Angriffen auf das Sozialsystem massiv verschlechtern. Zusammen mit unseren migrantischen Brüdern und Schwestern müssen Massenproteste bis hin zum Generalstreik vorbereitet werden, um all diese drohenden Angriffe erfolgreich abzuwehren. Jedes Zögern der ArbeiterInnenbewegung den Kampf auf der Straße zu organisieren wird durch eine Schwarz-Blaue Regierung umgehend bestraft werden. Basisversammlungen in den Gewerkschaften müssen jede große Entscheidung treffen, alle VertreterInnen müssen jederzeit wählbar und abwählbar sein. Etliche Bürokraten in den Gewerkschaften sind schon lange bereit in Betrieben mit Vertretern der FPÖ zusammenzuarbeiten. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass es zahlreiche Gewerkschaftsfunktionäre gibt, die auch zu einer Regierungskoalition mit der FPÖ bereit wären. Die unabhängige Organisierung der Gewerkschaftsbasis schafft die Möglichkeit all jene Funktionäre abzustrafen, die den Widerstand verraten. Ebenso ist es höchste Zeit eine neue ArbeiterInnenpartei zu schaffen, die im Gegensatz zur SPÖ auch tatsächlich für die Interessen der ArbeiterInnen sowie aller Unterdrückten kämpft. Eine solche neue ArbeiterInnenpartei sollte unserer Meinung nach auf einem revolutionären Programm basieren. Es ist höchste Zeit der drohenden Welle an Angriffen eine effektive Waffe entgegenzusetzen. Es ist höchste Zeit eine Neue ArbeiterInnenpartei zu schaffen und den Widerstand auf der Straße zu organisieren!

 

 

 

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Wir verweisen alle interessierten Leser auf folgende Resolution:

 

Neuwahlen: Krise, Chaos, Widerstand! Resolution zur Regierungskrise der Großen Koalition, der Umformation der ÖVP und den Neuwahlen, Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG (RKO BEFREIUNG), 15.05.2017, https://www.rkob.net/inland/kapitalistische-regierungspolitik/neuwahlen-ausgerufen/