Anmerkung der Redaktion: Unsere Organisation RKOB wurde von Mitgliedern, die vormals in der Liga für die Fünfte Internationale (LFI) organisiert waren gegründet. Den folgenden Text zählt RKOB somit zu ihrem politischen Erbe.
http://www.sozialistische-revolution.org/
Aufruf der LSR für die Landtagswahlen in Wien und der Steiermark, 30.8.2010
Die kommenden Landtagswahlen in Wien und der Steiermark finden vor dem Hintergrund schwerer Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse statt. Die herrschende Klasse ist fest entschlossen, die Kosten für die Krise, die Kosten für die Rettung der Banken und Konzerne, der breiten Masse der Bevölkerung aufzubürden. Die ArbeiterInnen, die Jugendlichen, Frauen und MigrantInnen sollen doppelt für die Krise des Kapitalismus zahlen. Zuerst durch Entlassungen, Lohnkürzungen und mehr unbezahlte Überstunden. Und jetzt, indem sie die Kosten des Bankenrettungspakets durch ein „Sparpaket wie es die II. Republik noch nicht gesehen hat“ (Finanzminister Pröll) bezahlt.
Auch wenn die Regierung – aus gutem Grund – ihre Sozialabbaupläne noch geheim hält, so ist es nichtsdestotrotz offensichtlich, daß SPÖ und ÖVP Kürzungen beim Arbeitslosengeld, bei den Kürzungen, bei der Bildung usw. planen.
In dieses Klima eines sozialen Schlachthauses interveniert die rechte FPÖ mit ihrer rassistischen Kampagne. Die FPÖ ist zwar (noch) eine Oppositionspartei und kann daher nicht unmittelbar Gesetze umsetzen. Doch mit ihrer Blut-Kampagne versucht sie den Haß und Unmut vieler österreichischen ArbeiterInnen wegzulenken von den KapitalistInnen und hinzulenken auf die ärmsten und benachteiligsten Schichten unserer Klasse – die MigrantInnen.
Dadurch leistet sie der herrschenden Klasse einen wichtigen Dienst. Der fortschrittliche soziale Klassenhaß soll in einen reaktionären nationalistischen Rassenhaß verwandelt und ungefährlich gemacht werden. Gleichzeitig dient ein solches ideologisches Klima des Chauvinismus gegen MigrantInnen dazu, um der Regierung die Rechtfertigung für ihr gesetzliches Vorgehen gegen MigrantInnen, für ihren Staatsrassismus, zu liefern (nach dem Motto„Wir hören ja nur auf die Stimme des Volkes“).
Das sind die Herausforderungen, vor denen die ArbeiterInnenklasse – also all jene, die gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen und deren Familien – steht.
Wem dienen die Parteien?
Die im Parlament bzw. den Landtagen vertretenen Parteien sind allesamt bürgerliche Parteien. Sie vertreten eine Politik im Interesse der herrschenden Klasse. Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP und auch FPÖ, BZÖ und Grüne haben alle für das Bankenrettungspaket gestimmt, dessen Kosten wir jetzt bezahlen sollen.
ÖVP, FPÖ und BZÖ sind Parteien, die direkt mit Teilen der KapitalistInnenklasse verbunden sind und deren Interessen umsetzen. Bei der ÖVP – der Hauptpartei des österreichischen Bürgertums – ist dies durch die Nähe zur Industriellenvereinigung, dem Wirtschaftbund, dem Raiffeisen-Imperium usw. besonders offensichtlich. Aber auch FPÖ und BZÖ haben ihre direkten Verbindungen mit dem Kapital – von Prinzhorn bis zum korrupten Hypo-Banken-Imperium.
Auch die Grünen sind eine bürgerliche Partei. Zwar entstanden sie in den 1980er als politischer Ausdruck kleinbürgerlicher Protestbewegung. Doch sie betrieben von Anfang an eine bürgerliche Politik und konnte das anfängliche Mißtrauen des Großkapitals schon seit langem überwinden. Die Koalitionsgespräche, die die Schüssel-ÖVP 2003 mit den Grünen führte und die seit Jahren bestehende Koalition mit der ÖVP in Oberösterreich unterstreichen das.
Die SPÖ
Die SPÖ-Führung betreibt ebenso wie die anderen Parteien eine bürgerliche Politik. Dies kann man auch jetzt beim drohenden Sparpaket sehen, wo z.B. SPÖ-Sozialminister (und ehemaliger ÖGB-Chef!) Hundstorfer eifrig an Sozialabbaumaßnahmen tüftelt. So soll er u.a. die Streichung des Arbeitslosengeldes in ersten 4 Wochen nach dem Verlust des Jobs planen. Ebenso plant er eine Nulllohnrunde bei den PensionistInnen. Dieser SPÖ-Spitzenpolitiker prahlt sogar damit, daß er eine Erhöhung der Pensionen verhindert: "Es gibt ja schon seit vielen Jahren neue Spielregeln, seit der Pensionsreform 2003. Dass eine Generation vorher höhere Pensionen hatte, ja, das stimmt. Aber wir haben rechtzeitig gegengesteuert." (DER STANDARD, 19.8.2010)
Das gleiche Bild auf dem Gebiet des Rassismus. Ja, die SPÖ empört sich zurecht über die rassistische Blut-Hetze der Strache-FPÖ. Aber sie betreibt als Regierungspartei bereits seit Jahrzehnten eine Politik der Verschärfung der staatlichen Unterdrückung der MigrantInnen. Führende SPÖ-PolitikerInnen wie Bundesgeschäftsführerin Rudas oder Familienministerin Heinisch-Hosek denken laut über ein Verbot der Burka nach. Und ähnlich wie andere rassistische Parteien will auch die SPÖ MigrantInnen zwingen, Deutsch zu lernen. So schreibt der Wiener SPÖ-Vorsitzende und Bürgermeister, Michael Häupl, in einer Massenaussendung an alle Wiener Haushalte unmißverständlich unter den Titeln „Klare Worte. Klare Wege.“ bzw. „Klare Regeln fürs Zusammenleben.“: „Ein Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben ist die gemeinsame Sprache. Darum lege ich größten Wert darauf, dass alle Zuwanderinnen und Zuwanderer Deutsch lernen. Wir haben deswegen in Wien verpflichtende Deutschkurse und ein Vorschuljahr für alle Kinder eingeführt.“
Doch die SPÖ ist zweifellos eine besondere bürgerliche Partei. Sie ist nämlich eine „bürgerliche ArbeiterInnenpartei“. Das bedeutet, daß sie eine Partei ist, die von einer Bürokratie beherrscht wird, die mittels unzähliger Privilegien und Posten von der Gemeinde bis an die höchsten Spitzen des Staates an das kapitalistische System gebunden ist und eine bürgerliche Politik betreibt. Aber im Unterschied zu den anderen Parlamentsparteien stützt sie sich von ihrer sozialen Basis her vor allem auf die organisierte ArbeiterInnenschaft. Sie besitzt über die Gewerkschaften und andere Massenorganisationen enge, organische Verbindungen mit der ArbeiterInnenklasse. Diese existieren nach wie vor, trotz aller bürokratischen Erstarrung. Dies zeigte sich in der besonderen Rolle, die die Gewerkschaften in ihr spielen und die vorherrschende Rolle der sozialdemokratischen Fraktion innerhalb des ÖGB. Sie ist auch nach wie vor jene Partei, die in den ArbeiterInnenbezirken ihre Hochburgen hat.
Auch wenn wir MarxistInnen also die SPÖ als eine von ihrer Politik her arbeiterInnenfeindliche Partei erkennen, so nehmen wir auch zur Kenntnis, daß nach wie vor viele ArbeiterInnen gewisse Illusionen in diese Partei haben. Diese Hoffnungen werden dadurch befördert, daß die anderen Parteien über keine organischen Verbindungen zur ArbeiterInnenklasse verfügen und gleichzeitig die SPÖ-Führung versucht, sich durch bestimmte Reformvorschläge als arbeiterInnenfreundlicher zu präsentieren.
Fair teilen? Was heißt das?
Dies drückt sich gegenwärtig darin aus, daß die Gewerkschafts- und Parteibürokratie eine Propagandakampagne betreibt für „Zeit für Gerechtigkeit! Zeit für faire Verteilung“. Parteiobmann Faymann verkündet: „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass auch jene, die diese Krise mitverursacht haben, einen gerechten Beitrag zur Beseitigung der Folgen leisten.“ Die SPÖ fordert daher die Einführung einer Bankenabgabe, einer Finanztransaktionssteuer, einer Vermögenszuwachssteuer, Änderungen bei der Absetzbarkeit von Managergehälter, Besteuerungen von Stiftungen und eine Reform der Gruppenbesteuerung.
Diese Forderungen sind keineswegs besonders radikal. Teilweise entsprechen sie sogar den Strategien wesentlicher Teile der Kapitalisten. Es ist kein Zufall, daß beim letzten G-20 Gipfel im Juni 2010 in Toronto sich auch die Regierungschefs von großen imperialistischen Mächten – wie US-Präsident Obama oder die deutsche Bundeskanzlerin Merkel – für eine Bankenabgabe und eine Steuer auf Bankgeschäfte (Finanztransaktionsteuer) aussprachen. Den Beinahe-Zusammenbruch der Weltwirtschaft 2008/2009 als Folge der unkontrollierbaren Finanzgeschäfte haben noch vielen Vertretern des Kapitals voll Schaudern in Erinnerung.
Außerdem steckt bei der SP-Spitze das Kalkül dahinter, die Sozialabbaumaßnahmen leichter zu erkaufen, wenn sie sagen können, daß ja die Reichen auch einen Beitrag zahlen und eben jeder den Gürtel enger schnallen müsse.
Insgesamt versucht die Parteispitze, daß verlorene Vertrauen vieler enttäuschter ArbeiterInnen durch Steuerforderungen, die sich gegen das Kapital richten, zurückzugewinnen. Und angesichts der Tatsache, daß eine ÖVP ebenso wie die FPÖ eine höhere Besteuerung von Vermögen ablehnt, kann dies der Partei auch teilweise gelingen.
Die SPÖ bei ihren Forderungen packen
Es wäre falsch und einseitig, würden politisch bewußte, kämpferische ArbeiterInnen und Jugendliche die SPÖ-Forderungen nur als Propaganda-Gag abtun und ignorieren. Die Tatsache, daß die SPÖ-Führung gezwungen ist, solche Forderungen – entgegen ihren tatsächlichen Klasseninteressen und entgegen ihrer tatsächlichen Politik – aufzustellen, wiederspiegelt, daß sie sich unter einem gewissen Druck, einer gewissen Erwartungshaltung durch Teile der Basis befindet.
Deswegen sind die SPÖ-Forderungen zwar Lug und Trug vom Gesichtspunkt der „Ehrlichkeit“ der SPÖ-Führung. Aber es bei der Entlarvung der Unehrlichkeit der Parteiführung zufrieden zu belassen, ist für sozialistische AktivistInnen unausreichend, steril und sektiererisch.
Es ist wichtig, die Hoffnungen, die ein Teil – darunter viele fortschrittliche ArbeiterInnen – in die SPÖ-Forderungen haben, aufzugreifen und gegen die Parteispitze zu wenden. Die SPÖ-Führung spricht sich für Reichensteuern aus? Gut, dann sollen sie diese doch umsetzen! Und sie muß alle Sozialabbaumaßnahmen ablehnen! Das geht nicht aus Rücksicht auf den Koalitionspartner ÖVP? Natürlich wird diese Unternehmerpartei dem nicht zustimmen. Deswegen gilt es, die sozialdemokratische Führung – v.a. in den Gewerkschaften – zu Großdemonstrationen, Streiks und Generalstreiks aufzufordern, um so das Kapital zurückzudrängen. Aber das gefährdet doch den Bestand der Regierungskoalition? Genau, deswegen heißt es Schluß mit den Verhandlungen! Sofortige Beendigung der Koalition! Die SPÖ soll eine Alleinregierung bilden, gestützt auf Massenmobilisierungen auf der Straße und in den Betrieben!
Sich an der Basis organisieren!
Um einen solchen Kampf gegen die KapitalistInnen und ihre politischen VertreterInnen vorzubereiten und zu organisieren, ist es notwendig, daß sich all jene, die Widerstand leisten wollen, in Aktionskomitees zu organisieren. Solche Komitees an der Basis – in den Betrieben, den Gewerkschaften, den Schulen, Universitäten usw. aber auch in der SPÖ – können der Ausgangspunkt für einen breiten Widerstand sein. Sie können vor dem Hintergrund breiter Klassenkämpfe zu, die Masse der ArbeiterInnenklasse umfassenden, Räten werden und als Ausgangspunkt dafür dienen, die SPÖ-Führung zu zwingen, entgegen ihren eigentlichen Interessen diese oder jene Reform umzusetzen oder eben auch nach Bruch mit der ÖVP eine Alleinregierung zu bilden.
Wir warnen davor, daß die SPÖ-Führung aufgrund ihrer Bindung an die KapitalistInnenklasse und deren Staat die Interessen der ArbeiterInnenklasse zwangsläufig verraten wird und verraten muß. Unser Ziel ist es, die ArbeiterInnen vom politischen Einfluß der sozialdemokratischen Bürokratie zu befreien und für eine wirklich sozialistische Strategie und den Aufbau einer revolutionären Partei zu gewinnen. Doch das werden wir nicht bloß durch Aufklärung erreichen. Vielmehr suchen wir die praktische Zusammenarbeit mit sozialdemokratischen ArbeiterInnen und Jugendlichen im Kampf gegen Sparpaket und UnternehmerInnenoffensive. Wir wollen gemeinsam versuchen, die Parteiführung zur Umsetzung der von ihr propagierten Reformen zu zwingen. Wir warnen davor, daß Faymann & Co. ihre Versprechen verraten werden. Aber wenn sie ihre bürgerliche Politik in konkreten Auseinandersetzungen beweisen und die ArbeiterInnenklasse gleichzeitig organisiert für ihre Forderungen kämpft, ist dies eine weit klarere Erfahrung für viele ArbeiterInnen als bloß die Warnungen einer kleinen revolutionären Minderheit. Deswegen wollen wir die Parteiführung in die Verantwortung zwingen.
Deswegen sagen wir bei den Wahlen in Wien und der Steiermark: Wählt SPÖ, aber organisiert den Widerstand!
Den Kampf organisieren! Revolutionäre Partei aufbauen!
Gegen die drohenden Angriffe gilt es einen entschlossenen Abwehrkampf zu führen. Deswegen treten wir die Organisierung von Streiks, Demonstrationen, eintägigen Generalstreiks und letztlich einen unbefristeten Generalstreik gegen das Sparpaket ein! Nur so kann dieser schwere Angriff auf unsere Zukunft abgewehrt werden.
Dazu bedarf es des Aufbaus von Aktionskomitees in den Betrieben, Schulen, Universitäten. Wir müssen Druck ausüben, damit die Gewerkschaften, SchülerInnen- und StudentInnenvertretungen kämpfen! Wir treten für die Bildung von Anti-Krisenkomitees – als Zusammenschluß von Gewerkschaften, Aktionskomitees, Jugend-, Frauengruppen usw. – in allen Orten und bundesweit ein!
Aber der Kampf alleine reicht nicht aus. Wir brauchen auch eine Partei, die wirklich die Interessen der ArbeiterInnenklasse, der Jugendlichen, Frauen und MigrantInnen vertritt. Eine solche Partei kann nur eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei sein, eine Partei die in Österreich und weltweit als Teil einer 5. Internationale für die sozialistische Revolution kämpft. Diesem Ziel widmet sich die Liga der Sozialistischen Revolution (LSR). Schließ dich uns an!