Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG, www.rkob.net, 21.4.2016
1. Die österreichischen Bundespräsidentschaftswahlen werden in wenigen Tagen, am 24.4.2016 stattfinden. Die RKO BEFREIUNG gibt für diese Wahlen keine Form der Wahlunterstüzung für die Kandidaten und die mit ihnen verbundenen Parteien. Vielmehr rufen wir alle klassenbewussten Arbeiterinnen und Arbeiter, alle Jugendlichen, Frauen und MigrantInnen auf, den Widerstand auf der Straße, im Betrieb und in den Schulen zu organisieren. Widerstand gegen den zunehmenden Rassismus und das Abwälzen der kapitalistischen Krise auf unserem Rücken. Das gestiegene politische Interesse in der Öffentlichkeit um die Bundespräsidentschaftswahlen ist eine gute Möglichkeit Massenmobilisierungen gegen Rassismus und Sozialabbau zu organisieren.
2. Gerade um die sogenannte „Flüchtlingsfrage“ findet eine starke Polarisierung in der ArbeiterInnenbewegung wie auch in der gesamten Bevölkerung statt. Die fortschrittlichsten Teile unserer Klasse zeigen uneingeschränkte Solidarität mit unseren Brüdern und Schwestern, die vor Hunger, politischer Verfolgung, Katastrophen und Krieg nach Europa flüchten. Diese besten Teile unserer Klasse sind die Avantgarde, die Speerspitze, im Kampf gegen die zunehmende Hetze gegen MigrantInnen und Muslime. Sie sind die Speerspitze im Kampf gegen die kapitalistische Krise und ihre Verursacher: Die Konzernherren und ihre Freunde in der Politik. Die Avantgarde unserer Klasse sagt heute umso deutlicher: „Öffnet die Grenzen! Bleiberecht für Flüchtlinge – sofort und uneingeschränkt! Für die volle Gleichberechtigung der Migrantinnen und Migranten!“
3. Keiner der antretenden Kandidaten wird von diesem Teil unserer Klasse bei diesen Wahlen als ihr Sprachrohr angesehen. Ein rassistischer Norbert Hofer (Kandidat der FPÖ) kann ebensowenig wie seine rechtspopulistische Partei jemals eine Option sein für uns klassenbewusste Arbeiterinnen und Arbeiter. Ebensowenig ist der Kandidat der ÖVP, Andreas Khol, noch seine Partei jemals eine wählbare Option. Irmgard Griss ist eine bürgerliche Kandidatin, die ihre Unterstützung von den NEOs erhält – eine relativ neue, bürgerlich-liberale Partei, die für uns Arbeiterinnen und Arbeiter nichts anderes ist als ein liberaler Ableger der ÖVP mit besseren Fähigkeiten im politischen Ausnutzen von sozialen Medien (Facebook, Twitter, etc.). Als ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs gehört Griss selbst zu den höchsten politischen Kreisen in Österreich. Und das sich kein Arbeiter und keine Arbeiterin mit nur einem funken Selbstachtung dazu herablassen würde einen Richard Lugner wegen den paar gratis Kinokarten zu unterstützen, versteht sich von selbst!
4. Tatsächlich ist für den voraussichtlich stimmenstarken FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer wohl der von den GRÜNEN kommende Alexander Van der Bellen die größte Konkurrenz. Nicht nur in seiner Zeit bei den GRÜNEN war Van der Bellen unter den fortschrittlicheren Teilen des Kleinbürgertums beliebt. Seine Popularität geht schon lange darüber hinaus und reicht auch in die Reihen der SPÖ-Wählerinnen und Wähler wie auch den liberaleren ÖVP-Wählern. Entsprechend viele Bemühungen hat Van der Bellen an den Tag gelegt sich als wählbare Option in diesen Kreisen zu präsentieren. Als klassenbewusste Arbeiterinnen und Arbeiter lehnen wir es in jedem Fall, auch in der wahrscheinlichen Version einer Stichwahl zwischen Hofer und Van der Bellen ab, letzteren zu unterstützen und würden auch in einer solchen zweiten Runde zur ungültigen Stimmenabgabe aufrufen. Die GRÜNEN und ihre Kandidaten haben sich als ehemals kleinbürgerliche Kraft, die sogar eine Reihe von selbstbezeichneten „Marxisten“ beherbergte rasch zu einer bürgerlichen Partei mit Öko-Anstrich entwickelt. Nicht nur hatten und haben sie niemals organische Verbindungen zu unserer Klasse beziehungsweise unterdrückten Schichten entwickelt. Sie haben auch schon zahlreiche Male bei ihre Beteiligung an Landesregierungen gezeigt, dass sich ihre Politik wunderbar anpassen lässt an so gut wie jeden bürgerlichen Regierungskurs der von den größeren Parteien gefahren wurde. Wenn bei diesen Wahlen einige unserer Klassenbrüder und –schwestern auf die Idee kommen, Van der Bellen eine Stimme zu geben so wird das in den meisten Fällen an der purer Angst liegen, dass ansonsten ein FPÖ-Kandidat gewinnt oder an der trügerischen Illusion, dass die GRÜNEN wegen ihren Image als „Multi-Kulti-freudige“ Partei vielleicht weniger scharf gegen Flüchtlinge vorgehen werden. In beiden Fällen wäre die Stimmabgabe an Van der Bellen aus den schon genannten Gründen dennoch eine falsche Entscheidung.
5. Die SPÖ stellt bei diesen Wahlen als Kandidat den ehemaligen ÖGB-Chef und späteren Sozialminister Robert Hundstorfer auf. Hat die SPÖ bei den Wahlen in Wien 2015 noch damit versucht zu punkten, dass sie eine „menschlichere Asylpolitik“ fährt als es die ÖVP oder die FPÖ, so ist das heute längst nicht mehr der Fall. Das Wahlkalkül der SPÖ bei den Wien-Wahlen im Oktober letzten Jahres war es in kurzer Zeit ihren massiven Rückstand in den Umfragen noch rechtzeitig zu den Wahlen abzubauen. Tatsächlich stand sie am Wahltag entgegen den ursprünglichen Prognosen nicht im Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FPÖ und hatte innerhalb weniger Wochen zusätzlich mindestens 5% mehr an Wählerstimmen mobilisieren können. Doch dies geschah unter der Losung der Solidarität mit den Flüchtlingen. Eine Losung, die selbst wenn die SPÖ sie für die Bundespräsidentschaftswahlen erhoben hätte, ihr im Gegensatz zu den Wien-Wahlen letztes Jahr niemand mehr ernsthaft abkaufen würde. Damals, im Herbst 2015 schaffte es die SPÖ durch ihre pro-Flüchtlingshaltung bei zahlreichen fortschrittlichen ArbeiterInnen, MigrantInnen und Jugendlichen Illusionen zu schaffen. Revolutionäre mussten daran anknüpfen und durch eine kritische Wahlunterstützung in einen Dialog mit diesen Kolleginnen und Kollegen treten. Wir sagten: „Wählt SPÖ, aber habt keine Illusionen in ihre verräterische Führung! Organsiert den Kampf auf der Straße und in den Betrieben!“ Heute, wo die SPÖ eine offene reaktionäre Haltung gegen Flüchtlinge einnimmt, haben viele ArbeiterInnen, MigrantInnen und Jugendlichen ihre Illusionen – zumindest vorübergehend – verloren. Deswegen gibt es für uns als Kommunistinnen und Kommunisten auch keinen Grund der SPÖ bei diesen Wahlen eine kritische Wahlunterstützung zukommen zu lassen. Letztere gilt nur dann, wenn wir der Avantgarde unserer Klasse entgegenkommen indem wir die von ihr favorisierte Partei mit scharfer Kritik und klaren Forderungen verbunden wählen. Ist die SPÖ unter der Avantgarde so diskrediert wie es aktuell der Fall ist, gilt es die Losung des Widerstandes und der Massenmobilisierungen aufrechtzuhalten und sie mit der Losung des „weiss wählen“ (der ungültigen Proteststimme) zu verbinden.
6. Die SPÖ hat in vielfacher Hinsicht hart daran gearbeitet, jegliche Illusion in der Avantgarde über ihre Flüchtlings- und MigrantInnenpolitik zu zerstören. Auch wenn die SPÖ nicht den von der ÖVP aufgeworfenen Begriff der „Obergrenze“ für die Zahl der Flüchtlinge aufgegriffen hat, sondern von einem „Richtwert“ spricht, so ist selbst für die obersten Bürokraten der SPÖ klar, dass es da keinen wirklichen Unterschied gibt. Entsprechend haben Sonja Wehsely, Sandra Frauenberger und Renate Brauner den Kurswechsel der SPÖ kritisiert. Darüberhinaus plant die SPÖ die „Residenzpflicht“ für Flüchtlinge, die eine extrem rückschrittliche Maßnahme ist. Ganz zu schweigen davon, dass ein Faymann die ÖVP-Politikerin Mikl-Leitner für ihre harte Asylpolitik in den Himmel gelobt hat und sie dafür sogar mit Blumen beschenkte. Selbst Häupl, der das Gesicht des Wiener Wahlkampfs gewesen ist hat Anfang dieses Jahres klar gemacht, dass Flüchtlinge verpflichtet werden müssen Deutschkurse zu besuchen oder sonst harte Strafen notwendig sind. Da er Geldstrafen für eine Illusion halte, sind die Strafen durch das Asylverfahren zu ziehen. Eine absolute Neuheit für Wien, da bisher der Besuch des Deutschkurses auf offiziell freiwilliger Grundlage stand. Geschweige denn der Ruf der Wiener SPÖ nach Abschiebeabkommen mit anderen Ländern und dem Aufstocken der Polizei. Real hat die SPÖ schon längst in Zusammenarbeit mit der ÖVP an den Grenzen härtere Kontrollen eingeführt bei denen auch auf Verdacht auf „Wirtschaftsflüchtlinge“ (und das sind alle, die dem eingeschränkten Verständnis der Grenzbeamten nach nicht aus Kriegsgebieten kommen) diese gar nicht erst ins Land gelassen werden. Aus all diesen Gründen hat der Wahlkampf des SPÖ-Kandidaten Hundstorfer auch nichts mehr mit einer angeblichen Solidarität mit Flüchtlingen zu tun.
7. Die größte Gefahr bei diesen Wahlen sehen viele klassenbewusste Arbeiterinnen und Arbeiter richtigerweise in einem potentiellen Sieg von Norbert Hofer. Tatsächlich wäre ein von der FPÖ gestellter Bundespräsident ein massiver Push für die Rechtspopulisten. Dieser kann nur durch Massenmobilisierungen auf der Straße verhindert werden. Spätestens wenn ein Hofer in die Stichwahl kommt, muss von Seiten der organisierten ArbeiterInnenbewegung eine Welle an Protesten, Demonstrationen und Streiks organisiert werden. Solche Proteste müssen unbedingt zentral organisiert werden von Gewerkschaften, fortschrittlichen Organisationen sowie – auf gleichberechtigter Grundlage – den fortschrittlichen Migrantencommunities, besonders denen aus den Heimatländern der Flüchtlinge (Afghanistan, Syrien, Ägypten, Palästina, Irak, etc.) und den größten hier lebenden Migrantengruppen (türkischen, bosnischen/kroatischen/serbischen, polnischen, etc.). Massenmobilisierungen auf der Straße müssen sich dabei sowohl gegen Rassismus als auch gegen die kapitalistische Krise und ihr Auswälzen auf dem Rücken unserer Klasse richten. Dazu gehört auch die Stimmung, die derzeit gegen den korrupten Kapitalismus auf Grundlage der Panama-Papers stark geworden ist für die Mobilisierung zu nützen. Solche Proteste können einen Hofer als Bundespräsident verhindern.
8. Viele werden erst gar nicht zur Wahl gehen. Nicht nur, weil das Amt des Bundespräsidenten zu den undemokratischsten und überflüssigsten Ämtern gehört. Sondern vielmehr weil sie keinen Kandidaten als wählbare Möglichkeit ansehen. Es ist allerdings wichtig in diesen Zeiten das Mittel der bürgerlichen Wahlen zu nützen und in diesem Fall eine ungültige Stimme abzugeben. Doch eine Stimmabgabe ohne die entsprechenden Mobilisierungen auf der Straße und ohne den Aufbau von Anti-Rassistischen Kommitees in Schule und Arbeitsplatz, in Dorf und Bezirk wird weder einen FPÖ-Kandidaten stoppen. Noch wird über den elektoralen Weg eine Alternative zur verräterischen SPÖ aufgebaut werden können. Es ist höchste Zeit eine Neue ArbeiterInnenpartei auf revolutionärer Grundlage aufzubauen! Eine solche Partei muss gerade heute nicht nur für die Rechte von Migranten eintreten sondern – neben fortschrittlichen österreichischen ArbeiterInnen und Jugendlichen – auch zu einem großen Teil aus Migranten bestehen! Nur auf diesem Weg können wir konsequent gegen Rassismus und die kapitalistische Krise ankommen. Am 24. April gilt: Gebt eine ungültige Stimme ab, aber belässt es nicht dabei. Eine Proteststimme darf nicht das Ende sein sondern höchstens der Anfang!