Von Johannes Wiener, Revolutionär-Kommunistische Organisation zur Befreiung, 5.10.2013, www.rkob.net
Auch wenn Wahlen am System des Kapitalismus grundsätzlich nichts ändern können, so können sie sehr wohl eine Klasse stärken oder schwächen, eine Entwicklung in der Gesellschaft hemmen oder beschleunigen und Illusionen der Volksmassen in ihre falschen Freunde untergraben oder schüren. Deswegen ist es sehr wichtig, dass revolutionäre Arbeiter und Arbeiterinnen eine richtige Taktik für die Wahlen entwickeln, um in den Betrieben, auf den Straßen und in den Schulen den richtigen Weg weisen zu können.
Die Wahlen waren grundsätzlich davon geprägt, dass verschiedene bürgerliche Parteien, die verschiedene Flügel der herrschenden Klasse und der Mittelschicht repräsentieren mit einer bürgerlichen Arbeiterpartei (SPÖ) konkurrierten. Im Allgemeinen kann man sagen, dass im Laufe der letzten Regierungsperiode viele Illusionen in die bestehenden bürgerlichen Parteien zerstört wurden. Dies führte zu einer gewissen „Politik-Enttäuschung“. Diese Enttäuschung drückte sich, um es grob zu sagen, so aus: viele Arbeiter und Arbeiterinnen gingen nicht wählen und die Mittelschicht gründete (zusammen mit Teilen des Kapitals) fleißig neue Parteien.
Ergebnisse
Die Wahlergebnisse sind den meisten Menschen ausführlich bekannt. Sie haben im Großen und Ganzen keine Überraschungen beinhaltet (wenn man den Einzug der „Neos“ ins Parlament weglässt). Wie zu erwarten war wurde die SPÖ stimmenstärkste Partei, verlor aber viele Arbeiterstimmen an die Nichtwähler, aber auch an die FPÖ. Das bürgerliche Lager war bei diesen Wahlen in sage und schreibe sechs größere oder weniger größere Parteien aufgesplittert. Das kann für die österreichische Kapitalistenklasse zu einem ernsthaften Problem werden, und wird aller Wahrscheinlichkeit nach zu irgendeiner Form von Umgruppierungsvorgang, Spaltungen oder zum Verschwinden von bürgerlichen Kleinparteien führen (z.B. BZÖ, Team Stronach,…).
Interessant für uns Kommunisten und Kommunistinnen ist vor allem, was die Arbeiterklasse bei den Wahlen gemacht hat. Grob gesagt ist die Arbeiterklasse bei den Wahlen drei Wege gegangen: SPÖ wählen, nicht wählen oder FPÖ wählen. Zwar gab es auch einen relevanten Teil konservativer Arbeiter und Arbeiterinnen, die am Land die ÖVP gewählt haben, aber sie verlieren deutlich an Bedeutung, wenn man die Industriegebiete und großen Städte Österreichs betrachtet. Interessant ist vor allem auch, dass Arbeiterinnen und weibliche Angestellte viel stärker zur SPÖ neigen, als männliche. Wenn man aber das gegen Frauenbefreiung gerichtete Programm der FPÖ im Hinterkopf hat, ist das keine große Überraschung.
Leider konnte die FPÖ viele Arbeiterstimmen gewinnen. Der Hauptverantwortliche für diese Schande ist nicht die FPÖ selbst, sondern die Führung von SPÖ und Gewerkschaften, die durch ihre verräterische Politik viele eher rückständige Arbeiter und Arbeiterinnen regelrecht in die Arme der FPÖ getrieben hat.
Es ist wichtig, dass wir als klassenbewusster und revolutionärer Teil unserer Klasse, gemeinsam mit kämpferischen Kollegen und Kolleginnen innerhalb der Sozialdemokratie all unsere Kraft und Energie dafür einsetzen eine neue revolutionäre Arbeiterpartei, in Österreich aufzubauen. Nur so kann unsere Klasse wieder Hoffnung schöpfen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und nicht unseren größten Feinden aus der FPÖ in die Falle zu Tappen.
Wichtig ist auch zu sagen, dass ein großer Teil der Arbeiterklasse gar nicht wahlberechtigt war. Nämlich die Hunderttausenden Migranten und Migrantinnen ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Jeder fortschrittliche Arbeiter und jede fortschrittliche Arbeiterin muss das Recht aller in Österreich lebenden Menschen zu wählen unterstützen, sowie das volle Bleibe- und Arbeitsrecht für Migranten und Migrantinnen.
Die nächste Regierung
Die Wahlergebnisse haben dazu geführt, dass die herrschende Klasse und ihre Hauptpartei, die ÖVP in einem gewissen Dilemma stecken. Dadurch, dass die SPÖ den ersten Platz belegt, sind sie traditionell an der Reihe Gespräche für eine Regierungsbildung zu führen. Gemeinsam mit der ÖVP könnten sie eine neue (nicht mehr ganz so) „Große Koalition“ bilden. Doch die ÖVP kann diese Regierung nicht dominieren und sie wäre gezwungen, verschiedene Zugeständnisse an die sozialdemokratische Bürokratie zu machen. Auf der anderen Seite wäre somit die Führung der Massenorganisationen der Arbeiterklasse eingekauft und würde alles daran setzen, dass es keinerlei Kampfmaßnahmen gegen „ihre“ Regierung gibt. Diese Variante scheint derzeit die wahrscheinlichere zu sein, auch deswegen weil die österreichische Kapitalistenklasse derzeit noch keinen vollen Angriff auf die Arbeiterklasse durchführen muss. Diese Art von Koalition würde sich nicht grundlegend ändern, wenn eine bürgerliche Kleinpartei als Feigenblatt in die Regierung geholt wird (Neos oder Grüne).
Es wurden aber auch Stimmen innerhalb der ÖVP laut, die eine rein bürgerliche Regierung, also eine Regierung ohne die SPÖ, gefordert haben. Derzeit bilden sie nur eine Minderheit innerhalb der herrschenden Klasse, doch es kann noch zu Entwicklungen kommen (z.B. eine zu „sture“ SPÖ), die dazu führen können, dass die ÖVP versucht gemeinsam mit FPÖ und einer anderen Partei (Team Stronach oder Neos) eine Regierung zu bilden. Ein (kleinerer) Flügel der ÖVP vertritt schon jetzt diese Position.
Diese Regierung würde einen massiven Angriff auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse bedeuten und würde einen massiven Klassenkampf von oben beginnen. Solch eine Regierung würde aber in relativ kurzer Zeit den Hass der Arbeitermassen zu spüren bekommen. Die Gewerkschaftsführung würde versuchen im Klassenkampf so zu manövrieren, dass sie sich wieder ihre „Zusatzprivilegien“ sichert, aber es gleichzeitig zu keine radikalen Aktionen im Klassenkampf kommt.
Widerstand, aber wie?
Revolutionäre Arbeiter und Arbeiterinnen müssen jetzt gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen in der Sozialdemokratie die Führung der SPÖ unter Druck setzen, keine Koalitionsregierung mit irgendeiner anderen Partei zu bilden. Vielmehr müssen wir versuchen, die SPÖ dazu zu zwingen eine Alleinregierung zu bilden die sich nicht auf das bürgerliche Parlament stützt, sondern auf Massenmobilisierungen der Arbeiterklasse.
Wenn die SPÖ in dieser Perspektive nicht erfolgreich ist, so soll sie in die Opposition gehen und sich nicht zum Handlanger der ÖVP machen. Wir wissen natürlich was die Führung der SPÖ eigentlich möchte: nämlich eine große Koalition mit der Hauptpartei der Kapitalistenklasse, der ÖVP, bilden um möglichst viele Privilegien zu bekommen und nicht mit der herrschenden Klasse in einen ernsthaften Konflikt zu kommen. Trotzdem müssen wir versuchen einen Keil zwischen die herrschende Klasse und die einzige bürgerliche Arbeiterpartei in Österreich zu treiben. Deswegen braucht es Aktionskomitees an der Basis der Gewerkschaften und in den Betrieben, die versuchen organisierten Druck auf ihre Massenorganisationen auszuüben.
Eine rein bürgerliche Regierung muss durch Generalstreik gestürzt werden. In diesem Fall rufen wir die Massen der Gewerkschaftsmitglieder und der gesamten Arbeiterklasse dazu auf entweder selbstständig Streiks und Massendemonstrationen zu organisieren oder/und die Führung der Gewerkschaften und der SPÖ dazu zu zwingen, Massenstreiks zu organisieren. (Im Frühjahr 2000 traten wir ebenso für einen Generalstreik zum Sturz der ÖVP/FPÖ-Koalition ein.)
Wenn die österreichische Kapitalistenklasse versucht eine Bürgerblockregierung zu bilden, dann könnte das dazu führen, dass es einen Durchbruch im Klassenkampf in Österreich gibt, der den Herrschenden über die Köpfe wächst. Deswegen ist dieser Flügel, der sich so eine Regierung wünscht, noch in der Minderheit innerhalb der herrschenden Klasse. Noch hat sich bei der Mehrheit der Kapitalisten die Erkenntnis nicht durchgesetzt, dass sie einen radikalen Angriff, der weit über das hinausgeht, was wir bis jetzt gesehen haben, braucht um ihre Profite auf absehbare Zeit zu sichern.
Neue Arbeiterpartei
Um die Angriffe der herrschenden Klasse erfolgreich abwehren zu können, um den Arbeitern und Arbeiterinnen die von der SPÖ enttäuscht sind eine wirkliche Alternative zu bieten, braucht unsere Klasse eine neue Partei. Diese Partei muss aus den Reihen der entschlossensten und fortschrittlichsten Kämpfer und Kämpferinnen der Arbeiterklasse in und außerhalb der SPÖ entstehen. So eine Partei, möchte sie erfolgreich sein und nicht die gleichen Fehler machen, an denen die Sozialdemokratie immer weiter zerbricht, muss auf revolutionärer Grundlage stehen und mit dem österreichischen Chauvinismus brechen. So eine Partei wird ein besonders junges, migrantisches, weibliches und vor allem proletarisches Gesicht haben und in den Klassenkämpfen wachsen, sich festigen und stählen. Es ist unsere Aufgabe als revolutionäre Arbeiter und Arbeiterinnen keine Zeit verstreichen zu lassen und Schritt für Schritt daran zu arbeiten solch eine Partei zu schaffen. Die Revolutionär Kommunistische Organisation zur Befreiung (RKOB) möchte alle Arbeiter, Arbeiterinnen und Jugendliche organisieren, die das Ziel haben solch eine Partei aufzubauen und mit ihr für den Sozialismus zu kämpfen.
Für die Herrschaft unserer Klasse, Sozialismus oder Barbarei!