Minister Kurz schreibt Frauen vor, was sie tragen sollen

Über die Idee des Kopftuchverbotes im Öffentlichen Dienst

Kommentar von Almedina Gunić, Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG, www.rkob.net, 10.1.2017

 

„Integrationsminister“ (oder besser gesagt Assimilationszwangsminister) Sebastian Kurz hat eine heftige Diskussion losgetreten mit der Forderung des Kopftuchverbotes im Öffentlichen Dienst. In dieser Diskussion hat sich auch die immer mehr nach rechts gehende, durchwegs verräterische SPÖ offen für ein solches Verbot gezeigt. Es ist nicht das erste Mal, das die Frage des Kopftuchs in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Mehr noch als das, scheint es keine Diskussion über die Gleichberechtigung von Frauen geben zu können ohne dass sich früher oder später zumindest ein Rassist (und letztlich auch Sexist) zum „Frauenretter“ ernennt indem er vorschreiben will was wir Frauen zu tragen haben. Da es unter Rassisten derzeit besonders modern ist sich über unsere muslimischen Brüder und Schwestern aufzuregen, fließen imperialistische Arroganz, Islamophobie und Sexismus da perfekt ineinander.

 

Ich komme aus muslimischer Familie, sogar aus einer streng gläubigen. Daher habe ich durchaus persönliche Erfahrungen in der Frage des Kopftuchs. Ich habe etliche Gespräche mit befreundeten Muslima geführt, war unzählige Male in der Moschee und hatte auch eine Phase in meiner Jugendzeit in der ich aus freier Überzeugung streng gläubig war. Mir gefiel die Idee einer besseren Welt (wenn auch erst im Jenseits) und der Notwendigkeit für sie zu kämpfen. In all diesen Erfahrungen ist ein Gedanke sowohl von mir selber als auch von anderen Muslima zur Sprache gebracht worden: Die geführten Debatten um Kopftuchverbote sind absurd. Sie sind nichts anderes als die bigotte Reibefläche für all jene, die ein Ventil für ihren Chauvinismus schaffen wollen.

 

In dieser „freien, westlichen“ Gesellschaft hat jede Frau schon die Erfahrung gemacht, dass sie ihre Kleidung unter Berücksichtigung der potentiellen Reaktionen von Fremden wählt. Wie oft hat sich in dieser „freien, westlichen“ Gesellschaft schon eine Frau das eine oder andere Kleidungsstück verkniffen aus Sorge angemacht zu werden? Wie oft haben sich Frauen bewusst Kleidungsstücke ausgesucht in der Hoffnung in diesen ihre Interessen besser durchsetzen zu können, weil ihnen der Einsatz ihrer körperlichen Merkmale den reaktionären Höhlenmenschen dieser Klassengesellschaft gegenüber mehr Erfolg bringt als das klügste und eloquenteste Argument es könnte. 

 

Ich habe tatsächlich nie aus Zwang ein Kopftuch getragen (auch wenn das in verschiedensten Familien sicher vorkommt) sondern etliche Male entgegen den Wunsch meiner streng religiösen Eltern. Diese wollten, dass mir rassistische Attacken erspart bleiben und haben sowieso mehr Wert darauf gelegt wie ich die religiösen Pflichten erledige. Ich habe das Kopftuch sehr oft in der Öffentlichkeit getragen, um mir als Jugendliche Avancen von wildfremden und teilweise deutlich älteren Männern zu ersparen. Es war eine Befreiung, ein Durchatmen keine Angst davor haben zu müssen eine fremde Hand an meinem Körper zu spüren. So sehr, dass ich rassistische Übergriffe in Kauf nahm. Die islamophoben Imperialisten behaupten, das Kopftuch sei ein Zeichen des Islamismus, ein Symbol des politischen Islams. Für die Mehrheit der Muslima ist es Ausdruck ihrer religiösen Haltung. Und für eine erschreckend hohe Zahl von Frauen ist es die fast schon effektivste Möglichkeit Grapschereien und anzügliche Sprüche vorab abzuwehren. 

 

Das Wesen der Frauenunterdrückung 

 

All jene Elemente der Frauenunterdrückung, die sich auch in den Reihen muslimischer Kreise finden sind in ihrem Wesen gleich mit denen aller anderen Gesellschaftsschichten. Es geht um die Frage des Haushalts und der Kinderbetreuung, der damit verbundenen Doppelbelastung für Frauen. Es geht um die Frage des gleichen Lohns für gleiche Arbeit wie allgemein Chancengleichheit im Beruf. Es geht um die Frage der Gewalt gegen Frauen, sowie um die Frage welche Freiheiten Frauen nicht zugesprochen werden – Männern jedoch schon. Und all diese Themen beschäftigen uns Frauen egal welcher Herkunft oder Religion wir sind. Die Debatte ob es Frauen erlaubt sein soll ein Kopftuch zu tragen unterscheidet sich in seinem sexistischen Charakter kein bisschen von all jenen, die sich empört haben über die Ablehnung von Büstenhaltern, das Tragen kurzer Röcke und dem Bikini. Es läuft immer darauf hinaus, das es Frauen im Gegensatz zu Männern nicht gestattet wird selbst zu bestimmen was sie tragen. Warum wird unser Körper zum öffentlichen Gut? Warum müssen wir Frauen uns gefallen lassen, dass andere Menschen bestimmen was wir zu tragen haben und vorallem – was nicht? Es gibt auch unzählige religiöse Symbole und Bekleidungen, die von Männern getragen werden.

 

Warum zur Hölle wird permanent über das Recht auf Kopftuch diskutiert aber niemals über Kippas (jüdische Kopfbedeckung für Männer)? Es wird nicht diskutiert ob Sikhs ihre Dastar tragen dürfen bzw. ob sie ihre Haare schneiden sollen. Es kommt noch nicht einmal jemand auf die Idee den faschistischen Mob des Ku Klux Klan ihre weißen Vollverschleierungen in der Öffentlichkeit zu verbieten. Nein, sie marschieren fröhlich auf und bekommen sogar Polizeischutz. Was Männer tragen, ist einfach niemals ein Thema – ja noch nicht einmal von Religionskritikern. Es wird immer automatisch angenommen, dass es keinen religiösen Zwang für das männliche Geschlecht geben kann. Männern wird eine Grundfreiheit zugesprochen, eine Souveränität über ihre eigenen Entscheidungen von der keine einzige Frau auf Erden behaupten kann sie gleichermaßen erfahren zu haben.  

 

Das ist der Grund warum wie also zum gefühlt tausendsten Mal über das Kopftuch sprechen.

 

Demokratische Grundsätze

 

Es ist wahrlich nicht notwendig Kommunistin bzw. Kommunist zu sein, es reicht sich als fortschrittliche Person, als Demokratin bzw. Demokrat zu verstehen um folgende Forderungen als Antwort auf die Frage des Kopftuchverbotes im öffentlichen Dienst zu geben:

 

* Gegen jedes Verbot des Tragens des Kopftuchs in all seinen Varianten (inklusive Niquab)! Sofortige Rücknahme des Burka-Verbotes!

 

* Aufhebung aller Sondergesetze und Regelungen für bestimmte Religionsgruppen, allen voran sofortige Abschaffung des Islamgesetzes!

 

* Volle Gleichberechtigung aller Migrantinnen und Migranten in allen Bereichen der Gesellschaft! Gleiche Staatsbürgerrechte für alle in Österreich lebenden Menschen, unabhängig ihres Aufenthaltsstatus!

 

* Volle Entscheidungsfreiheit für alle Muslima (wie überhaupt für alle Frauen) was sie wann tragen wollen! Unser Körper gehört uns!

 

* Für den Aufbau von Selbstverteidigungseinheiten von Muslima, unterstützt von allen fortschrittlichen Kräften und vorallem der ArbeiterInnenbewegung, um sich gegen rassistische Übergriffe wie das Runterreissen des Kopftuchs, Beschimpfungen und körperliche Attacken wehren zu können!