Genossin Friederike Schlesak ist von uns gegangen

Ein Nachruf von Michael Pröbsting

Am 10. Mai 2011 starb Genossin Friederike Schlesak im Alter von 99 Jahren. Für jene, die sie näher kannten, war sie immer “die Friedl”. Sie war ihr Leben lang als Trotzkistin, als revolutionäre Kommunistin, aktiv.

 

Der Verlust von Friedl trifft uns schwer, denn sie war eine der letzten, die ein lebendiges Band der Kontinuität zum Trotzkismus der 1930er und 40er Jahre verkörperte. Die am 21. Februar 1912 in Wien geborene Friedl trat mit 16 Jahren als junge Arbeiterin der sozialdemokratischen Partei bei und war auch in der Illegalität – zuerst unter dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime und dann der Nazi-Diktatur – politisch aktiv. Sie schloß sich dem von Josef Frey geführten Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse an, eine der wichtigsten trotzkistischen Organisationen.

 

Sie war im Kampfbund auch später tätig, als die meisten in den Jahren des langen Booms – den 1950er und 1960er Jahren – der revolutionären Arbeit den Rücken kehrten und der Trotzkismus in Österreich beinahe verschwand. Ungeachtet der politischen Schwächen des Kampfbund (1) gebührt Friedl und ihren GenossInnen im Kampfbund der große Verdienst, durch ihre beharrliche Arbeit die Kontinuität des Trotzkismus bewahrt und an eine neue Generation weitergegeben zu haben. Dies drückte sich auch darin aus, daß sie 1976 an der Gründung der Internationalen Kommunistischen Liga teilnahm und dann Ende 1985 die Gruppe Arbeiterstandpunkt, der österreichischen Sektion der „Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale“, mitbegründete.

 

Ich lernte Friedl persönlich bei meinem Beitritt in den ArbeiterInnenstandpunkt im Februar 1989 kennen. Auch wenn sie aus gesundheitlichen Gründen keine aktive Rolle mehr spielen konnte, so nahm sie so oft wie möglich an den politischen Sitzungen teil und unterstütze unsere politische Arbeit so gut sie konnte. Da die Leitungssitzungen des ArbeiterInnenstandpunkt damals oft bei ihr zu Hause stattfanden, ergab sich für mich immer wieder die Gelegenheit, mit ihr über ihre reichhaltigen Erfahrungen zu sprechen. Oft erzählte sie uns Jüngeren von den Erlebnissen der Untergrundarbeit und den Schwierigkeiten, die politische Arbeit fortzusetzen, als sich viele ins Privatleben zurückzogen.

 

Ich empfand immer tiefen Respekt vor Friedl, denn sie sie war für mich aufgrund ihrer politischen Standhaftigkeit als revolutionäre Kämpferin ein Vorbild. Ihr Leben lang diente sie der revolutionären Sache und strebte nie nach Karriere oder persönlichen Vorteilen. Deswegen wählten wir sie auch einstimmig zur Ehrenvorsitzenden des ArbeiterInnenstandpunkt.

 

Genossin Friedl weilt nicht mehr unter uns. Aber die Ideen und Ideale, denen sie ihr Leben widmete – der Kampf für die Befreiung der ArbeiterInnenklasse und den Aufbau einer revolutionär-kommunistischen Partei zu diesem Zwecke – sie leben weiter. Sie leben weiter durch uns und unsere revolutionäre Arbeit. In diesem Sinne bauen wir heute die Revolutionär-Kommunistischen Organisation zur Befreiung (RKOB) auf.

 

Unser tiefes Beileid gilt ihren Angehörigen und Freunden, insbesondere jenen, die wie sie ihr Leben der politischen Arbeit widmen.

 

Anmerkung:

(1) Unsere Einschätzung und Bewertung des Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse – sowie der Geschichte des österreichischen Trotzkismus insgesamt – findet sich in mehreren Dokumenten und Artikeln. Sie können über die Kontaktadresse der RKOB bezogen werden (aktiv@rkob.net).

* Resolution des ArbeiterInnenstandpunkt (1999): Thesen zur Geschichte des österreichischen Trotzkismus 1927-1950. (siehe FAREV Nr. 5)

* ArbeiterInnenstandpunkt: Die Geschichte des österreichischen Trotzkismus 1927-1950 - seine Geschichte, seine Politik, sein Kampf (in ArbeiterInnenstandpunkt Nr. 101 und 102)

* ArbeiterInnenstandpunkt: Sozialdemokratie, Stalinismus und der österreichische Trotzkismus (in: Revolutionärer Marxismus Nr. 29)