„Wenn was fehlt, muss ich es zahlen“
Interview mit einem Copy-Shop-Arbeiter
Nina Gunić interviewt Martin Maisfeld
N.G.: Bitte stell dich kurz vor.
M.M.: Klar. Ich bin der Martin, bin 25 Jahre alt und gelernt hab ich Bürokaufmann. Ich bin seit dem Ersten Mai Sympathisant der RKOB, und seit ein paar Wochen auch Mitglied. Seit gewisser Zeit arbeite ich beim Copy-Shop R***, 40 Stunden, 6 tage die Woche für etwa 900 Euro. Zusätzlich gibt’s einen halben Euro am Tag als Absicherung für mich, wenn die Kassa mal nicht stimmt. Bleiben muss ich aber solange bis der Fehler behoben ist, manchmal also auch eine halbe Stunde unbezahlt länger arbeiten. Und wenn was fehlt, muss ich es halt zahlen – kann auch mal 100 Euro sein.
N.G.: Was hast du davor gemacht?
M.M.: Ich war Fahrer beim Packet-Dienst. Der Job damals hat mich fertig gemacht. Über meinen jetzigen Job bin ich regelrecht froh.
N.G.: Wie waren bei deinem alten Job die unangenehmste Erfahrung?
M.M.: Die Dienstzeiten waren so gehalten, dass du fertig werden musstest in der vorgegebenen Zeit und wenn du länger gebraucht hast gab es keine Überstunden. Einmal hat die Gewerkschaft eine Aktion gemacht. Das war wegen dem Protest der ArbeiterInnen in der Türkei, weil von denen ja hunderte wegen Gewerkschaftsarbeit entlassen wurden. Da hat unsere Gewerkschaft uns beim Hineinfahren behindert, um mit uns zu reden. Gute Idee, aber wir haben das ja nicht bezahlt bekommen. Also viele von uns sind deswegen 3 Stunden länger geblieben an dem Tag ohne das gezahlt zu bekommen. Das war unglücklich. Danach gab es aber keine Aktionen mehr, um uns zu organisieren.
N.G.: Und wie ist es bei deinem aktuellen Job?
M.M.: Naja, obwohl wir qualifiziert sind und eigentlich den Status von fixen Angestellten haben sollten, sind wir alle nur als Hilfsarbeiter angestellt. Ausgenommen der Filialleiter, der auch deutlich mehr Gehalt bekommt. Wir sind Kollektivvertraglich nicht abgesichert, haben auch kein 13./14. Gehalt. Nur den Qualifikationsbonus, der aber freiwillig vom Unternehmen gestellt wird. Außerdem müssen wir wenn einer krank ist, dessen Arbeit auch machen ohne das bezahlt zu bekommen. Sonntags- und Feiertagszulage gibt es auch keine.
N.G.: Wie verstehst du dich mit den Kollegen bzw. dem Chef?
M.M.: Kollegen sind alle okay. Es gibt schon auch einige, die sehr kaputt sind. Davon lebt das Unternehmen, dass sie Leute nehmen, denen es dreckig geht und die jeden Job neben würden. Was ich besonders nervig finde sind die Jäckchen, die wir tragen müssen. Die Filialleiter, die „Dronen“ sag ich mal, tragen eine andere Farbe. Ich weiss nicht was es mit diesen Uniformen im Arbeitersektor auf sich hat. Vielleicht zur Erniedrigung. Ich fühl mich dabei erniedrigt, weil ich nicht mich darstelle, sondern den Hackler der Firma.
N.G.: Habt ihr eigentlich Betriebsräte? Oder kommt die Gewerkschaft mal vorbei?
M.M.: Nein, haben wir nicht. Und einmal war einer von der Gewerkschaft da, aber der hat sich nie mehr bei mir gemeldet. Herbert hieß er. Er sagte, er ruft mich Montag an, aber habe nie wieder von ihm gehört. Sonst, nein, keine Gewerkschafter.
N.G.: Und gab es irgendwelche Versuche bezüglich Betriebsräte wählen dürfen?
M.M.: Oh ja, die gab es. Die Marketingabteilung hat sich quergestellt und wollte nen Betriebsrat wählen dürfen. Die gesamte Abteilung wurde draufhin einfach ausgetauscht. Die wurden alle rausgehaut mit so Argumenten, wie dass sie Bürosachen gestohlen haben und so. Innerhalb einer Woche, das ging ruck-zuck. Da traut sich ja niemand mehr was machen. Jeder will den Job irgendwie behalten. Aber vielleicht kann ich da was mit einem anderen Kollegen unternehmen dagegen. Wir treffen uns eh mal bald und reden was möglich ist.
N.G.: Finde ich sehr gut. Zum Schluss noch: Was hat dich motiviert um der RKOB beizutreten?
M.M.: Das die RKOB nicht nur was Richtiges sagt, sondern es auch tut. Ja, das ist es einfach. Ich habe es satt von irgendwelchen Studenten zu hören dieses Bla-bla-bla. Sie reden von Marx, oft dann auch von einer angeblich friedlichen Revolution, die möglich ist. So ein Quatsch. Währenddessen rauchen sie sich gemütlich einen Joint an. Und die RKOB handelt. Das war es.
N.G.: Ja, und das werden wir in Zukunft – gemeinsam. Dann sage ich danke für das Interview, Martin.